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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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sich die Markierungen an der Mauer entlang. Plötzlich versperrte ihm ein blankes Schwert den Weg.
    „Liebreich ist das Antlitz der Heiligen Jungfrau", klang ihm die Parole entgegen.
    „Und mächtig ihre Gnade", antwortete der Ankömmling. Das Schwert senkte sich.
    „Willkommen, Sire Jocelin!”
    Der Posten umarmte seinen Ordensbruder.
    Einige Schritt weiter kletterte Jocelin über eine schmale Leiter in einen tiefer gelegenen Schacht, aus dem schwaches Kerzenlicht schimmerte. Kurz darauf stand er in einem geräumigen Saal. Seine Brüder erwarteten ihn. Seit zwei Monaten lebten die Templer aus Fontainebleau in Paris, um bereit zu sein, wenn die päpstliche Kommission ihre Arbeit aufnahm.
    „Die ersten Zeugen sind eingetroffen", berichtete Jocelin und hob die kältestarren Hände über das kleine Feuer in der Mitte des Saales. “Sie kommen aus der Provence. Denkt euch, Isnard de Montréal, der Komtur von Carcassonne ist bei ihnen! Damals in Poitiers hat er nicht den Mut aufgebracht, den Orden zu verteidigen, aber jetzt ist er den Weg nach Paris gekommen um Zeugnis abzulegen!”
    „Dann konntet Ihr mit ihnen sprechen?” fragte Kaplan Helias. „Wohin sind sie gebracht worden?”
    „In die Abtei von Saint Germain. Gott sei Dank ist Vater Gauthier noch Abt. Er hat mir erlaubt, die Brüder zu besuchen. - Aber es geht ihnen nicht gut. Fast alle haben Verletzungen, Erfrierungen und Fieber. Ich habe Vater Gauthier gebeten, sich um sie zu kümmern, um der Liebe Christi willen.”
    Die Brüder wussten, was er meinte. Um ihre Finanzen stand es schlecht. Das, was ein paar von ihnen bei Gelegenheitsarbeiten verdienten, reichte kaum, um nicht zu verhungern. Sie hatten ihre Pferde verkauft, fast alle ihre Waffen. An eine Unterstützung ihrer gefangenen Brüder war nicht zu denken.
    Der Notar hatte die Lesung der Anklageartikel und der beiden päpstlichen Bullen beendet. Der Bischof von Mende räusperte sich bedeutungsvoll.
    „Nun, Sire Jacques, Meister des Ordens vom Tempel“, sagte er gedehnt“, wollt Ihr etwas zur Entlastung besagten Ordens vorbringen?”
    Jacques de Molay rieb die schmerzenden Handgelenke, von denen man eben die Ketten abgenommen hatte. Dass der Erzbischof von Rouen nicht anwesend war, erfüllte ihn mit Misstrauen. War es ein Zufall, dass man ihn ausgerechnet heute vorführte? Er holte tief Atem und hob den Kopf.
    „Ich will den Orden verteidigen, so gut ich es vermag. Aber ich bin Gefangener des Königs und des Papstes, und unser Orden ist all seiner Güter und Einkünfte beraubt. Ich bitte, mir Beratungen mit meinen Brüdern zu ermöglichen und mir die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um Advokaten und Notare zu bezahlen!“
    „Dies ist ein Verfahren, welches den Heiligen Glauben betrifft. Und wir werden ohne das Geschrei und die Winkelzüge von Advokaten vorgehen!“ stellte der apostolische Notar klar. Ehe Meister Jacques etwas erwidern konnte, fügte der Bischof von Mende hinzu:
    „Überlegt es Euch gut, ob Ihr wirklich die Verteidigung auf Euch nehmen wollt, Sire! Schließlich habt Ihr bereits vor dem Inquisitor die Schuld eingestanden, und dann ein zweites Mal vor den Kardinälen in Chinon...“ Er beugte sich über ein Pergament. „...die Verleugnung Christ und der Heiligen Jungfrau, die Verunehrung des Kreuzes bei Eurer Ordensaufnahme, bei den Kapitelsitzungen, die Küsse auf den Nabel und den Mund, die Sodomie!“
    Jacques de Molays Gesicht spiegelte Entsetzen wieder. Hastig bekreuzigte er sich dreimal hintereinander. Er hatte in Chinon kein Geständnis abgelegt! Er hatte geleugnet! Und Kardinal Thomas hatte es im Protokoll vermerkt! Oder?!
    “Mes Sires...ich... das ist eine Lüge!“ rief er. „Wäret Ihr keine Priester, würde ich anders zu Euch sprechen!“
    „Wir sind nicht hier, um eine Forderung zum Turnier entgegenzunehmen, Meister des Tempels!“ erwiderte der Bischof von Mende zynisch.
    Der Ordensmeister war nicht fähig zu sprechen. Zu furchtbar, zu hinterhältig war der Verrat, den Kardinal Thomas offensichtlich begangen hatte. Und der Bischof von Mende? Legte auch er bereits die Schlingen, um ihn zu Fall zu bringen? Und Erzbischof Gregor? Hatte auch er gelogen?
    Schritte näherten sich. Meister Jacques wendete sich um. Nogaret! Der königliche Siegelbewahrer nahm wie selbstverständlich neben den Kommissaren Platz.
     “Sires... ich... bitte um Bedenkzeit!“
    Zuvorkommend gewährte ihm der Kommissionsvorsitzende den Wunsch.
    Silbrig kaltes Mondlicht fiel

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