Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
Mobiliar der Wohnungen zerschlagen und verbrannt. Einige Villen standen bereits leer, wie sich herausstellte - was die Menge noch mehr aufbrachte und sie hungrig machte auf weitere Beute.
An anderer Stelle hatten Abteilungen des Untergrunds Festungen der Gilde in verschiedenen Regierungsgebäuden und Lagerhallen angegriffen. Die Soldaten der Gilde wurden niedergehetzt und überwältigt. Wer von ihnen Widerstand leistete, war besser ausgebildet und bewaffnet als die Angreifer, doch ihr Autoritätsverlust und die schiere Übermacht zermürbte sie.
Anfangs versuchten Paule und die wenigen ebenso denkenden Anführer des Untergrunds, sich der Woge von Gewalt entgegenzustellen, doch gegen Mitte des Vormittags mussten selbst sie erkennen, dass es hoffnungslos war. Der Groll, der sich in jahrzehntelanger Unterdrückung aufgestaut hatte, verschaffte sich in einer einzigen blutigen Orgie der Rache Luft, und das Beste, worauf sie jetzt noch hoffen konnten, war, der Stadt ein wenig Vernunft und Hoffnung geben zu können, wenn alles vorüber war.
»Zündet die Leuchtfeuer an«, befahl Paule und gab damit das Zeichen, das die Revolution längs der Küste bis nach Altonbridge und Clevemouth tragen würde. »Vielleicht können wir wenigstens ein wenig Ordnung in dieses Durcheinander bringen.«
Die Kämpfe dauerten an. Kein Teil der Stadt blieb verschont. Aus vielen Gebäuden stieg Rauch in die Höhe, in manchen Straßen hatten sich die Gossen rot gefärbt, und Plünderei war an der Tagesordnung. Der Untergrund, jetzt mit dem offiziellen Segen seiner Anführer, versuchte sicherzustellen, dass nur jene Kräfte zum Ziel der Gewalt wurden, die die Stadt so lange Zeit ausgeblutet hatten, doch so mancher benutzte die Revolution dazu, alte Rechnungen zu begleichen. Die Beteiligten wussten kaum, was sich außerhalb ihrer unmittelbaren Umgebung abspielte, und es war unmöglich, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen.
Paule und Hewe mussten mit eigenen Augen das Gemetzel mit ansehen, das den Collosseum Square mit Leichen übersäte. Viele waren verletzt, hatten ihr Zuhause verloren. Mit Hilfe einiger ihrer besonneneren Kollegen machten sie sich an die langwierige Aufgabe, wieder eine Art von Disziplin herzustellen. Wasser und Nahrungsvorräte würden unvermeidbar knapp werden, und man organisierte Posten, die bei der Bewachung von Läden helfen und sicherstellen sollten, dass jeder seinen Anteil bekam. Sämtliche Regierungsstellen waren gebrandschatzt worden, doch auch sie wurden vor weiterer Zerstörung gerettet. Welche Form der Regierung schließlich aus dem Chaos erwachsen würde, gebraucht wurden sie alle.
Einige der schwersten Kämpfe fanden rings um die Stadtmauer statt. Viele der Gildesoldaten hatten dort ihre Unterkünfte, und eine Zeitlang machten sie sich ihre sicheren Verteidigungsstellungen zunutze. Ein hysterischer Bürgermob griff sie jedoch aus der Stadt heraus an, und von draußen drangen die Bewohner der Elendsviertel vor, die sich wie ein Schimmelpilz um die Stadtgrenze gelegt hatten. Die Menschen dort sahen endlich eine Chance, sich an jenen Kräften zu rächen, die ihnen die Möglichkeiten der Stadt vorenthalten und sie gezwungen hatten, im Elend ihrer verdreckten Hütten und Zelte am Fuße der Stadtmauer zu verharren.
Auch der Untergrund spielte seine Rolle in dieser Schlacht. Viele seiner Mitglieder lebten in besagten Hütten, und jetzt zeigten sie ihren Leuten die geheimen Wege in die Stadt. Die Folge war, dass viele der Verteidiger der Gilde Überraschungsangriffen zum Opfer fielen. Dennoch wurden Hunderte von Menschen von den Soldaten bei weniger gut organisierten Angriffen niedergemetzelt.
Zwei Tage und zwei Nächte tobte die Gewalt, dann endlich hatten die Bemühungen einiger weniger Erfolg. Die allgemeine Erschöpfung tat ein ihriges, und die Kämpfe wurden immer sporadischer.
Eine der letzten großen Auseinandersetzungen fand kurz vor der Morgendämmerung des dritten Tages statt. Ein Trupp Soldaten in der Nähe des Metallturmes war aus ihrem Unterschlupf gescheucht worden, und man trieb sie zum Wohnsitz des Oberlords. In ihrer Verzweiflung waren sie auf die geschwärzte Fläche gerannt und hatten ihre seltsam gekleideten Kollegen, die immer noch am Fuß des Turmes standen, um Hilfe angefleht. Als Antwort wurden die seltsamen Metallwaffen angelegt, und ein tödlicher Schauer kleiner Pfeile regnete herab. Die fliehenden Posten wurden in Stücke gerissen und stürzten in einer Übelkeit
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