Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
besiedelten Landstrich zwischen den beiden großen Wüsten Cleves durchquerten. Von dort aus wollten sie ins Vorgebirge des gewaltigen Massivs ziehen und nach Südosten abschwenken. Das würde sie in die Nähe der Kontaktpunkte des Lichtlosen Königreiches bringen. Ein großer Teil ihrer Route führte durch unbekanntes Gebiet, doch sie hatten allen an verfügbaren Karten studiert und hofften in den Dörfern entlang der Strecke Hilfe zu bekommen. Alles Übrige musste unterwegs entschieden werden.
Die lange Karawane aus Pferden bewegte sich in einem gemächlichen Tempo, und es wurde wenig gesprochen. Eine Gruppe Vandalen hatte sich freiwillig bereit erklärt, als Späher voranzureiten, doch Jordan befahl ihnen, die Tiere für die vor ihnen liegenden härteren Zeiten zu schonen. Sie gehorchten. Die Aussicht auf mehr Beschäftigung in der nahen Zukunft stimmte sie versöhnlich.
Die winterliche Kälte gestattete es ihnen, den ganzen ersten Tag nach Verlassen von Great Newport durchzureiten. Der kürzeste Tag lag gerade erst sechs Tage zurück, es war also wichtig, das Tageslicht voll auszunutzen. Ihr Mittagsmahl aus Fleisch und Brot aßen sie, ohne haltzumachen, und so ging es ohne Pause bis zum Spätnachmittag weiter.
Cai ritt neben Zana, so dass sie, falls erforderlich, hinübergreifen und seine Zügel greifen konnte. Als ihn eine weibliche Stimme ansprach, ging er ganz selbstverständlich davon aus, dass sie es war. Dann bemerkte er seinen Irrtum.
Cai. Bist du das, Cai?
»Gemma?« In seiner Überraschung und Freude rief der Zauberer laut ihren Namen, und Zana war nicht die einzige, die ihn seltsam ansah.
Gemma, wo bist du? Es tut so gut, wieder mit dir Verbindung aufzunehmen!
Ich bin im Tal, antwortete sie, doch irgendetwas in ihrem Tonfall ließ Cais Freude rasch abklingen.
An deinem geheimen Ort? fragte er zögernd nach.
Ja, antwortete sie, doch es schützt mich nicht mehr, und heute Nachmittag habe ich den Gesang der Sirenen gehört. Irgendetwas Schreckliches passiert, Cai.
Sie hörte sich so elend an, dass Cai es nicht fertigbrachte, ihr zu antworten.
Bist du noch da? erkundigte sie sich ängstlich.
Ja.
Ich muss in den Tiefen Süden, Cai. Wirst du mir helfen?
Natürlich, gab er zurück. Ich bin zur Zeit auf dem Weg nach Süden, zusammen mit Jordan. Wir treffen uns dort.
Du bist in Cleve? stieß Gemma überrascht hervor. Freudiges Staunen hellte ihre düstere Stimmung auf.
Du hast doch nicht etwa geglaubt, ich würde dich für immer allein lassen, oder? Der selbstironische Klang seiner Worte - so lahm er auch war - brachte Gemma zum Lachen.
Dann sehen wir uns also am Wasserfall, meinte sie. Das ist im Augenblick Ardens und mein Ziel.
Wir treffen uns dort, gab Cai zurück, aber sehen werde ich dich nicht.
Aber warum nicht? Was ist passiert? wollte sie wissen.
Ich bin blind, Gemma.
Es entstand eine kurze Pause, dann meldete Gemma sich wieder zu Wort.
Aber du hast doch noch andere Augen, meinte sie. Sieh her!
Und dann, obwohl Cais Körper noch immer fest im Sattel saß, stellte er fest, dass er von oben auf die lange Reihe von Pferden vor ihm herabblickte. Die Perspektive war eigentümlich, bewegte sich und wies zahlreiche Facetten auf, so dass er eine Weile brauchte, um zu erkennen, was er sah.
Ich muss jetzt fort, sagte Gemma mit einer Mischung aus Lachen und Furcht in der Stimme. Viel Glück, Cai.
Nein! schrie er. Geh nicht fort! Doch es war zu spät, und der Kontakt war wieder abgerissen. Cai ritt weiter, verwirrt vom Durcheinander neuer Empfindungen.
Willkommen im Schwarm, meinten die Bienen zu ihm. Unsere Augen sind die deinen.
VIERTER TEIL
TRAUMSTEIN
28 . KAPITEL
Im Morgenlicht des Tages der Sommersonnenwende kam der Steinclan zusammen, um seine heilige Pflicht zu tun. Die Meyrkats bildeten einen weiten Kreis um den grauen Monolithen, der im Zentrum der Diamantenwüste stand. Jeder einzelne von ihnen wurde von einem geheimnisvollen Impuls geleitet, der den kürzesten Tag erkannte - sie nannten es die Zeit, in der die Winde wechselten -, und eigentlich benötigten sie die Anweisungen von Od, ihrem unbestrittenen Führer, nicht. Seit der Stamm sich aufgeteilt hatte - gleich nach dem Ritual der Wintersonnenwende zusammen mit Gemma - war Od bei den restlichen Meyrkats zum dominanten Männchen aufgestiegen. Er war recht eigenwillig und konnte dogmatisch sein, aber er war auch kräftig und entschlossen, und der Clan fühlte sich unter seiner Führung sicher.
Er war es auch, den sie in
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