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Die Träumerin von Ostende

Die Träumerin von Ostende

Titel: Die Träumerin von Ostende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric-Emmanuel Schmitt
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gut.«
    »Leider …«
    »Ich wollte damit sagen, dass Sie sich nie beklagen.«
    »Wozu auch?«
    Der Morgennebel hing noch an den Fensterscheiben.
    Stéphanie notierte seine Temperatur, wechselte den Infusionsbeutel, stellte die Infusion neu ein und gab ihm eine Spritze. Dann steckte sie ihren Kopf in den Flur und rief nach der Schwesternhelferin.
    »Madame Gomez, kommen Sie bitte und helfen Sie mir beim Waschen!«
    Hinter ihr wandte Karl heftig ein:
    »Das werden Sie mir doch nicht antun?«
    »Was?«
    »Mich waschen!«
    Stéphanie ging zu ihm, sie verstand nicht.
    »Doch, warum?«
    Er verzog das Gesicht, war verärgert, wandte seinen Kopf nach rechts und nach links, als suchte er nach Hilfe.
    »Also das … das gefällt mir gar nicht!«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin das gewohnt.«
    Da Madame Gomez hereinkam, ließ er es dabei bewenden. Stéphanie dachte, sie hätte ihn beruhigt und griff zu Handschuhen und Flüssigseife.
    Madame Gomez schlug das Laken zurück und deckte ihn auf; Stéphanie konnte nicht umhin, sie war seltsam berührt. Dieser Mann war schön. Ganz und gar schön. Alles an diesem Körper gefiel ihr. Und alles verwirrte sie.
    Obgleich er schwer verletzt war und sich nicht bewegen konnte, wirkte er nicht wie ein Invalide.
    Sie wandte ihren Blick ab. Zum ersten Mal dachte sie, dass sie nicht das Recht hatte, einen Mann in seiner Nacktheit ohne dessen Zustimmung zu betrachten; im Nachhinein empfand sie die gleichgültige Handbewegung, mit der Madame Gomez das Laken rasch aufgedeckt und Karl entblößt hatte, als brutal.
    Wo sollte sie beginnen?
    Auch wenn sie die Handgriffe wie im Schlaf beherrschte, weil sie sie schon unzählige Male ausgeführt hatte, war sie durch Karls Gegenwart verunsichert. Sie würde seine Schenkel, seinen Oberkörper, seinen Bauch und seine Schultern berühren. Für gewöhnlich wusch sie einen Patienten, wie sie ein Wachstuch mit einem Schwamm abwischte. Bei ihm aber war es anders, er verunsicherte sie. Wäre er nicht hier im Krankenhaus, hätte sie ihn niemals nackt zu Gesicht bekommen. Selbst wenn er ihr einen exquisiten Duft zusprach, hätte er sie doch nie zur Geliebten genommen, oder?
    Bedenkenlos hatte Madame Gomez auf ihrer Seite begonnen, ihn zu waschen.
    Stéphanie wollte nicht, dass man ihre Skrupel bemerkte, und machte sich ebenfalls an die Arbeit. Doch war sie dabei sehr viel sanfter und einfühlsamer.
    »Was tust du da, du Idiotin?«, dachte sie. »Er ist gelähmt. Gelähmt! Das heißt, er spürt deine Hand gar nicht. Ob du ihn zwickst oder streichelst, ist einerlei, er spürt nichts.«
    Durch diesen Gedanken ermutigt, konzentrierte sie sich ganz auf ihre Tätigkeit, wollte zum Ende kommen; doch war sie so unvorsichtig, sein Gesicht zu betrachten, und bemerkte, dass er die Zähne zusammenbiss, sein Kiefer verspannt war und ihn Schauer überliefen. Als sie seinen Hals abrieb, murmelte er leise:
    »Tut mir leid.«
    Sie spürte die Not in seinen Worten und befahl Madame Gomez nachzusehen, wer in Zimmer 209 geläutet hatte.
    »Den Rest schaffe ich allein, Madame Gomez.«
    Als sie allein waren, beugte sie sich über ihn und fragte ihn behutsam.
    »Was tut Ihnen leid? Was?«
    »Es tut mir leid«, wiederholte er und warf den Kopf hin und her.
    Sie fragte sich, was mit ihm sein mochte, ließ ihren Blick über seinen Körper gleiten und begriff plötzlich, was ihm so zu schaffen machte.
    Sein Geschlecht hatte sich aufgerichtet.
    Stéphanie konnte nicht anders, als dieses feste, von einer zarten Haut umhüllte Glied zu bewundern, dessen Erektion ihm alle Ehre erwies und das ihr zugleich kraftvoll und zart schien; dann wandte sie sich wieder ihrer Tätigkeit zu, schüttelte ihre Gedanken ab, begriff, dass sie Karl beruhigen musste.
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind daran gewöhnt. Es geschieht unwillkürlich, ist ein Reflex.«
    »Nein!«
    »Doch, seien Sie unbesorgt, ich kenne mich aus damit.«
    Er entgegnete zornig:
    »Nein, das tun Sie nicht! Nicht die Spur! Und erzählen Sie mir nichts von wegen ›unwillkürlich‹ und ›Reflex‹ … Vom Kinn an abwärts bin ich taub, spüre nichts. Wenn Ihre Kollegin Antoinette sich um mich kümmert, bin ich entspannt und muss die Zähne nicht zusammenbeißen. Warum? Weil Antoinette oder Madame Gomez nicht so riechen wie Sie. Ich habe versucht, Sie zu warnen …«
    »Aber … das ist doch nicht schlimm …«
    »Wenn das nicht schlimm ist, was ist dann schlimm?« Seine Stimme klang gebrochen.
    »Es muss Ihnen nicht

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