Die Trolle
dass ihr Erfolg nur ein Teilsieg war.
Kurz bevor es zu einer Besprechung im kleineren Kreis der Meister kam, ertönten überall in den Gängen und Stollen die Alarmhörner. Fluchend warf sich Hrodgard den Umhang über die Schulter, ergriff seine Axt und rannte zum Ursprung des Signals, gefolgt von seinen Kriegern.
Wie sich bald herausstellte, war die ganze Aufregung durch einen Eindringling verursacht worden, einen Menschen, den die Wache in einem Schlafraum eingekesselt hatte.
Sobald er dort ankam, übernahm Hrodgard das Kommando und ließ die Tür aufbrechen. Doch der verfluchte Mensch zwängte sich bereits durch einen Luftschacht, und seine zappelnden Beine verschwanden in der Decke, noch bevor die Krieger ihn erreichen konnten.
»Bringt die Armbrüste nach vorn! Wird’s bald!«, brüllte der Kriegsmeister, doch bis ihm endlich eine gespannte Waffe gereicht wurde, war der Mensch bereits außer Sicht. Wütend warf der Veteran die kostbare Armbrust auf den Boden und wandte sich an seine Kampfmeister, die jeweils eine Kompanie unter sich hatten. »Findet ihn. Postiert Wachen an allen Ausgängen dieses Teils der Luftschächte. Ich will ihn lebend, ich will ihm eigenhändig die Haut vom Leib ziehen! Los!«
Sofort stürmten die Untergebenen aus dem Raum, um die Befehle des Kriegsmeisters zu befolgen, dessen gewaltigen Zorn sie fürchteten. In die Freiheit würde der Mensch nicht entkommen, denn am oberen Ende der Schächte würde ihn die eine oder andere Überraschung erwarten. Beim Gedanken daran musste Hrodgard grinsen, doch seine hämische Befriedigung wich rasch der Erinnerung daran, dass er bald Bericht erstatten musste. Dann würde er sein Versagen bei der Ausrottung des Trollstamms zugeben müssen und bestätigen, dass die tieferen Flöze mit den begehrten Erzen immer noch nicht sicher genug waren, um Arbeiter dorthin zu schicken. Wie lange müssen wir diese verfluchten Biester denn noch jagen, bis wir endlich die uns bestimmten Schätze der Steine in Besitz nehmen können?, fragte sich der Kriegsmeister, aber er kannte die Antwort: Bis kein Troll mehr am Leben ist. Erst wenn der letzte Troll in seinem eigenen Blut verreckt, werden wir frei sein, uns das zu holen, was uns zusteht!
9
Von seiner erhöhten Position im Stall aus behielt Sten das Innere des Bauernhauses mitsamt den regungslosen Trollen im Auge. Die letzten Strahlen des Tageslichts fielen durch die geöffneten Fenster, aber schon bald würde die Sonne untergegangen sein. Dann würden die riesigen Trolle erwachen und feststellen, dass sowohl ihr Gefangener als auch die anderen Menschen entkommen waren. Das würde sie nicht gerade erfreuen, aber Sten hoffte, dass letztlich ihre Vernunft siegen würde. Oder besser, dass Druans Vernunft siegen würde. Den anderen Trollen traute er in dieser Hinsicht nicht allzu viel zu. Pard hatte zu häufig auf Stens Tod bestanden, als dass der Wlachake eine sonderlich hohe Meinung von ihm haben konnte. Roch, Anda und Zdam waren schweigsamer, und von daher konnte Sten sie weniger leicht einschätzen. Das würde sich ändern, wenn er erst einmal mit ihnen verhandelt hatte. Aber bis dahin galt es, ihren Zorn zu überleben.
Es würde dauern, bis die Trolle Sten entdeckten, aber wenn sie ihn töten wollten, sah es nicht gut für ihn aus. Der junge Krieger war sicher, dass er zwar vom Hof entkommen und sich in den Wald schlagen könnte, aber er hatte selbst gesehen, wie schnell die Trolle sich bewegten, auch wenn sie schwerfällig und behäbig wirkten. Außerdem war er nicht sicher, ob er sie im dichten Unterholz würde abhängen können. Auch hatte er bemerkt, dass ihre Nasen weitaus feiner waren als sein eigener Geruchssinn. Möglich, dass sie ihn wie eine Rotte Bluthunde verfolgen würden, gleichgültig, wie gut er seine Spuren verwischte.
Auf der Flucht vor seinen Feinden hatte Sten mehr als einmal den Wald als Versteck genutzt, um sich zu verbergen, und er hatte auch schon Jäger mit Hunden abgeschüttelt, aber er vermutete, dass die Trolle sich als tödlichere Verfolger herausstellen konnten. Vor Mord schreckten sie jedenfalls nicht zurück, nicht einmal davor, Mitglieder ihrer eigenen Rasse mit Genuss zu verspeisen.
Mit diesen Gedanken kamen erneut Zweifel an seinem Plan in Sten auf, und er fragte sich, ob es nicht doch besser war, die Trolle zu erschlagen, solange sie verwundbar waren. Wer konnte schon ahnen, was sie noch für Gräueltaten anrichten würden, wenn er ihnen das Leben schenkte?
Auf der
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