Die Trolle
hilflos.
»Ich weiß, dass Ihr Kontakt zu anderen Wlachaken in Teremi hattet, bevor Ihr hierher gesandt wurdet. Freien Wlachaken!«, stellte Viçinia fest.
»Was? Ihr meint unsere Kämpfer in der Stadt?«
»Ja!«
»Das stimmt. Aber wieso …«, begann er, doch Viçinia unterbrach ihn: »Ich brauche einen Namen, Suhai. Wir müssen Informationen aus der Feste schmuggeln.«
»Hinausschmuggeln? Das ist unmöglich, Dame Viçinia! Wie wollt Ihr das anstellen?«
»Das lasst nur meine Sorge sein, Suhai. Ich brauche einen Namen, jemand, den ich finden kann, wenn ich in die Stadt gehe.«
»Ihr wollt fliehen? Zorpad wird uns alle umbringen, wenn Ihr flieht!«, zischte Suhai, wobei seine Stimme immer lauter wurde, bis Viçinia ihn wütend anfunkelte.
»Nein, ich will nicht fliehen. Und Zorpad wird uns bald sowieso alle töten. Er plant einen Krieg, Suhai!«, erwiderte sie mit eindringlicher Stimme.
»Krieg. Dann sind wir ohne Nutzen für ihn«, stammelte Suhai.
»Ja. Aber noch ist es nicht so weit. Die anderen müssen gewarnt werden, damit sie sich vorbereiten können, meine Schwester muss gewarnt werden!«
»Ihr Geister, wir sitzen in der Falle. Wir müssen alle fliehen!«
»Das geht nicht, Suhai, das wisst Ihr. Wir kämen niemals alle aus der Burg, geschweige denn durch Zorpads Truppen und das halbe Land. Nein, ich muss mit den Freien Wlachaken in Teremi sprechen und dann zurückkehren. Nur so gibt es die Möglichkeit, dass die Warnung Ionna erreicht. Würde ich, würden wir fliehen, dann hätten wir bald alle Hunde und Krieger der Masriden auf den Fersen. Ein Entkommen wäre unmöglich«, erklärte Viçinia geduldig, doch sie sah, dass Suhai immer noch von Furcht erfüllt war.
»Sten cal Dabrân ist tot. Wir werden sterben. Zorpad wird uns töten, er wird Eure Schwester überfallen. Wir sind alle verloren!«, stöhnte der junge Mann und lehnte die Stirn gegen die kalten Gitter, die ihn gefangen hielten. Seine Worte trafen Viçinia ins Herz, und beinahe hätte sie sich selbst ihrer Verzweiflung überlassen, aber sie weigerte sich aufzugeben, solange sie noch am Leben war. Sie konnte nicht aufgeben und alles im Stich lassen, wofür ihre Schwester kämpfte. Und wofür auch Sten gekämpft hatte.
»Noch ist nicht alles verloren! Wir werden die Kunde von Zorpads Plänen nach draußen schmuggeln, und unsere Familien und Freunde werden sich vorbereiten können und gerüstet sein, wenn Zorpad sie angreift … Sie brauchen uns, Suhai!«, appellierte Viçinia an die Loyalität des Adligen.
Suhai aber sah sie nicht an, sondern erwiderte nur leise: »Habt Ihr nicht gesehen, wie er den Krieger heute überwältigt hat? Man kann ihn nicht besiegen, er ist kein Mensch, er ist ein Dunkelgeist, der uns alle vernichten wird!«
»Reißt Euch zusammen, Suhai!«, fuhr Viçinia den verzweifelten Mann an. »Der arme Junge war schon halb tot, als sie ihn in den Saal schleppten. Es war nur sein letztes Aufbegehren gegen das Unausweichliche. Zorpad kann besiegt werden, Zorpad wurde besiegt! Oder habt Ihr die Herbstschlacht bereits vergessen?«
»Nein. Nein, Ihr habt Recht. Verzeiht mir.«
»Schon gut. Wir alle fürchten uns, und wir sind in einer üblen Lage. Doch wir müssen stark sein. Andere verlassen sich auf uns, Suhai. Wir dürfen sie nicht enttäuschen. Also, sagt mir, wo muss ich in Teremi suchen?«
»Ihr müsst in die Nähe des Hafens gehen. Dort wohnt ein Mann namens Giorgas …«
Aufmerksam lauschte sie den Beschreibungen des Mannes und prägte sich Namen und Orte ein, bevor sie sich verabschiedete und wieder auf die Birke kletterte. Von der dünnen Spitze des Baumes aus war der Sprung weitaus schwieriger, dennoch schaukelte sie vorsichtig hin und her, um den Baum in Richtung ihres Fensters zu bewegen. Als die obersten Äste am Mauerwerk kratzten, nahm sie all ihren Mut zusammen und sprang.
Ihre Knie schlugen schmerzhaft auf den Stein, aber sie hatte es geschafft, die Öffnung ihres Fensters zu erreichen, und zog sich über den Sims in ihre Gemächer.
Noch während sie tief durchatmete, erklang die verschlafene Stimme ihrer Zofe. »Herrin?«
»Schon gut, Mirela. Ich wollte nur kurz das Fenster öffnen, um ein wenig frische Luft in das alte Gemäuer zu lassen«, antwortete Viçinia, während sie sich wieder in ihr Bett begab. »Die Kohlepfanne raucht erbärmlich.«
Die Zofe gab ihr keine Antwort, also war ihr Verschwinden wohl unbemerkt geblieben.
Morgen würde sie in aller Frühe verräterische Spuren beseitigen
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