Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
so den Teufel von der Wand zu wischen. Luisa wollte nur nach Hause. Außerdem fehlte ihr Fleck.
Schließlich lebte es sich nicht so leicht zu neunt unter einem Dach. Und Besuch war wie Fisch, der nach drei Tagen zu stinken begann. Das würden die Großeltern nie aussprechen, trotzdem war Luisa ganz eifrig, als sie endlich, endlich Anfang Oktober nach Hause abreisten.
Luisa packte nicht gleich ihre Taschen aus, sondern begab sich umgehend ins Weberviertel. Eine Weile stand sie unschlüssig auf dem Steinmühlensteg, der nach Auf dem Sande führte. Sie beobachtete die Menschen, die geschäftig durch die Gassen gingen oder sich unterhielten. Kein „De-tschicke, de-tschacke“. Webpause.
Luisa vermisste das Donnern der Webstühle. Es kam ihr so vor, als sei sie Jahre fort gewesen. Etwas war verändert. Die Luft roch anders, das Wasser der Mandau glitzerte anders, die Vögel sangen ein anderes Lied als vor ihrer Abreise. Aber vielleicht waren diese Umstände dem Herbst geschuldet, der hereingebrochen war. Sie fühlte sich fremd in ihrem Dorf.
Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Sie registrierte, dass sie beobachtet wurde. Die Anspannung unter den Webern war deutlich zu spüren. Die Furcht vor ihr und der Willkür ihres Standes war trotz des Webermutes beinahe zu riechen. Was hatten sie erreicht mit ihrer Rebellion? Nichts! Einige von ihnen waren eingesperrt, der Rest war so arm wie je. Sie hatten sich erhoben und Luisa war stolz auf sie, aber sie hatten verloren und das machte Luisa unendlich traurig.
„Fleck hat Sie schon erwartet, Fräulein Treuentzien“, hörte Luisa eine ganz vertraute Stimme und wandte sich nach der im Schatten der Linden stehenden Frau Weber um.
Sie wurde ins Haus, in die Stube gebeten. Ein einziger Blick. Caspar war nicht da, in ihr seufzte das Herz. Flecks Begrüßungsfreude machte ihre Enttäuschung auch nicht wett. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sich Fleck beruhigt hatte und bis Sophie und Margarete mit ihren Vorträgen, was sie im vergangenen Monat Gutes für Fleck und was er Ungezogenes getan hatte, fertig waren. Agnes saß still dabei und beäugte Luisa missmutig. Elsbeth machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Und es war Luisa, nicht die Weberin, sondern Luisa, die die Mädchen bat, sie mit der Mutter allein zu lassen.
Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, da zerbröselte Maria Webers freundliche Fassade zu schierer Erschöpfung. „O Gott, Fräulein Treuentzien, was müssen Sie in Leipzig durchgemacht haben. Es muss schrecklich für Sie gewesen sein.“
Luisa legte ihren Herbstmantel ab und lehnte die Lederrolle gegen ein Tischbein. „Ich weiß, was hier vorgefallen ist, Frau Weber.“ Sie war ganz gefasst, rein äußerlich. Wo war Caspar?
„Wie geht es Ihrer Familie?“ Frau Weber wollte höflich sein.
„Gut. – Was die Ihre angeht ...“
„Wir haben unsere Kinder anständig erzogen, Fräulein Treuentzien, das müssen Sie mir glauben. Ich habe nicht gewusst, dass ...“ Ihr Handrücken vor ihrem Mund, die Augen zusammengekniffen, sodass die Wimpern in ihnen verschwanden, schluchzte sie auf, nur kurz. Frau Weber wollte nicht vor ihr weinen. Das spürte Luisa.
„Was haben Sie nicht gewusst?“
Die Weberin schüttelte den Kopf, weil sie keine Luft zum Reden hatte, und ließ sich in die Bank plumpsen.
„Was ist vorgefallen, Frau Weber?“ Jetzt kauerte Luisa vor der Weberin, wie sie es einst bei der Witwe Wanger getan hatte. Sie wartete, dass Maria Weber ihre Fassung wiedererlangte, doch das geschah nicht so bald. „War Ihr Mann bei den Unruhen dabei?“
Maria Weber schüttelte abermals den Kopf.
„Waren Ihre Söhne bei den Unruhen?“
Maria Weber schluchzte auf. „Clemens war mittendrin, in Dresden. Man hätte ihn umbringen können! Ich hab erst jetzt eine Nachricht bekommen, dass es ihm gut geht.“
„Und Ihre Söhne hier? Waren die dabei?“
„Nicht beide, Balthasar war nicht dabei, nur Caspar ...“ Luisa starrte vor sich hin, hatte keinen einzigen Gedanken mehr in ihrem Kopf, all die herrliche Freude ihrer Rückkehr war blankem Kummer gewichen. Sie hockte zu Maria Webers Füßen und jetzt waren es ihre Hände, die geknetet wurden.
„Fräulein Treuentzien, ich wusste es nicht. Hätte ich geahnt, was er vorhat, ich hätt ihn in seiner Kammer eingesperrt wie einen Zehnjährigen.“
„Hat man ihn verhaftet?“
Maria Weber schniefte, antwortete aber nicht.
„Nein, hat man nicht.“ Das war von der Tür hergekommen.
Luisa schoss
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