Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
ihren Blick über die leeren Tische des Restaurants schweifen. Es war niemand da, der sie kennen könnte. An der Kasse stand der schwarz Livrierte von vorhin, plötzlich mit ganz jungenhaftem Gesicht und angeregt mit einer jungen Serviererin plaudernd. Als sei ihm vom langen Warten auf Masakos Antwort allmählich das Selbstbewusstsein dahingeschmolzen, begann sich Jūmonji bei ihr auszuweinen:
»Der Geldverleih überlebt sowieso nur noch ein, zwei Jahre, höchstens. Dann bin ich bankrott. Deshalb habe ich mir gedacht, jetzt oder nie. Es wäre doch toll, so eine riskante, coole Sache mit Klasse zu machen. Aber vielleicht hab ich mir das ja zu rosig vorgestellt …«
»Heißt das, man könnte damit richtig viel Geld verdienen?«, unterbrach ihn Masako.
»Jedenfalls weitaus mehr, als man mit Geldverleih an arme Schlucker machen kann.«
»Wie viel wollen Sie denn pro Leiche kassieren?«, fragte Masako, deren Geschäftsinteresse langsam wach wurde. Jūmonji fuhr sich nervös mit der Zunge über die eher schmalen, wohlgeformten Lippen und schien zu überlegen, ob er das Masako verraten sollte oder besser nicht.
»Nun sagen Sie schon, wo Sie sich bereits so weit aus dem Fenster gelehnt haben. Und seien Sie ehrlich, sonst können Sie’s gleich vergessen.«
»Also gut. Ich werde alles offen auf den Tisch legen. Die Aufträge werden uns über die Person X vermittelt; pro Objekt verlangen wir acht Millionen; als Vermittlungsgebühr kassiert X davon drei Millionen. Von den restlichen fünf bekomme ich zwei und Sie drei – na, was halten Sie davon?«
Masako zündete sich eine Zigarette an und sagte schnell: »Ich mache es nicht unter fünf.«
»Wie bitte!«, rief Jūmonji. »Fünf Millionen?«
»Genau. Sie stellen sich das vielleicht so einfach vor, aber das
ist es nicht, es ist verdammt schwere Arbeit. Dreckige, Ekel erregende Arbeit, von der man Alpträume bekommt. Sie würden mich verstehen, wenn Sie es selbst einmal versucht hätten. Und wenn Sie meinen, dass ich das Zerstückeln bei mir zu Hause im Bad erledigen könnte, haben Sie sich geschnitten. Mein Bad kommt nicht in Frage. In einem normalen Einfamilienhaus ist das Risiko viel zu groß. Wo hatten Sie sich denn gedacht, dass die Arbeit gemacht werden würde?«
»Ich, also ich hatte mir schon vorgestellt, weil doch Frau Jōnouchi gesagt hat, Sie hätten es bei sich zu Hause gemacht, Frau Katori, dass wir es vielleicht genauso machen könnten...«, gab Jūmonji eingeschüchtert zu.
»Geht es nicht bei Ihnen, Sie leben doch allein?«
»Ja, aber ich habe nur eine kleine Wohnung mit Nasszelle.«
»Es ist wirklich nicht einfach, glauben Sie mir. Zunächst muss man dafür sorgen, dass die Arbeit zu einer Zeit erledigt wird, in der kein Familienmitglied zu Hause ist. Dann muss man aufpassen, dass keiner von den Nachbarn mitbekommt, wie das Objekt hineingeschafft wird. Außerdem trägt eine Leiche unter Umständen eine Reihe von persönlichen Dingen bei sich, die gefährlich werden könnten und die deshalb ebenso penibel entsorgt werden müssen, was auch nicht einfach ist.« Masako verstummte, denn sie musste plötzlich an den Schlüssel denken, den Kazuo Miyamori aus dem Kanal gefischt hatte. Jūmonji wartete mit angehaltenem Atem auf das, was sie weiter zu sagen hatte. »Alleine ist es für mich vollkommen unmöglich, eine Leiche zu zerstückeln. Außerdem muss das Bad danach noch gereinigt werden, und das ist wieder eine Heidenarbeit. Nein, unter fünf Millionen mach ich’s nicht, schon gar nicht in meinem Haus!«
In seiner Ratlosigkeit führte Jūmonji die leere Kaffeetasse an die Lippen und versuchte zu trinken. Als er merkte, dass nichts mehr darin war, gab er der immer noch mit dem schwarz Livrierten plaudernden Serviererin ein Zeichen, die sich daraufhin widerwillig in Bewegung setzte und ihm dünnen Kaffee nachfüllte.
»Also gut: Ich sorge für den An- und Abtransport des Objekts, das heißt, ich kümmere mich auch um die Entsorgung der Kleidung und der anderen Sachen, die noch anfallen könnten, und lasse alles verschwinden – ist es dann in Ordnung?«
»Das klingt schon besser. Aber finden Sie nicht auch, dass die Vermittlungsgebühr mit drei Millionen viel zu hoch angesetzt ist? Diese Person X, von der Sie sprachen, behauptet vielleicht nur, den Auftrag für acht Millionen entgegenzunehmen, kassiert aber in Wirklichkeit zehn. Das heißt, sie behält von vornherein zwei ein, bekommt zusätzliche drei und ist am Ende mit insgesamt fünf fein
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