Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Yayoi stockend zu erzählen, wie sich alles im Einzelnen abgespielt hatte. Ihr Bericht bestärkte Masako in der Überzeugung, dass diese Frau Morisaki hier aufgetaucht war, um Nachforschungen anzustellen. Als sie nichts weiter sagte und ins Grübeln verfiel, fragte Yayoi verwundert: »Wieso beunruhigt dich das so, Masako? Wenn du mich fragst, ich glaube, du denkst zu viel.«
»Ich weiß es zwar noch nicht mit Sicherheit, aber ich glaube, wir werden ausspioniert. Du solltest dich besser in Acht nehmen«, sagte Masako schließlich.
»Wie meinst du das? Wer sollte uns ausspionieren? Und warum?«, rief Yayoi erschrocken. Aus den nassen Haaren lief ihr das Wasser in Rinnsalen übers Gesicht, aber das schien sie nicht einmal zu bemerken. »Denkst du, es ist die Polizei?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Ja, wer denn dann?«
»Das weiß ich eben nicht!« Masako schüttelte den Kopf. »Deswegen habe ich ja so ein ungutes Gefühl.«
»Und du denkst, sie gehört dazu? Frau Morisaki, meine ich?«
»Ja, vielleicht.«
Es würde wenig Zweck haben, in ihrer Wohnung nachzusehen, da sie sie wahrscheinlich längst geräumt hatte. Aber sie waren so weit gegangen, ein Apartment zu mieten, um Yayoi auszuschnüffeln, und das hatte Geld gekostet. Allein die Tatsache, dass sie bereit waren, Geld auszugeben, machte die Angelegenheit für Masako in höchstem Maße unheimlich.
»Nachforschungen von der Versicherung vielleicht?«
»Aber du sagtest doch, es sei schon entschieden, dass dir die Summe ausbezahlt wird!«
»Ja, schon. Das Geld soll nächste Woche überwiesen werden.«
»Weiß sie davon?« Masako legte den Kopf schief.
Yayoi rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt. »Jemand hat es auf mich abgesehen. Was soll ich denn jetzt machen?«
»Das kommt davon, dass du im Fernsehen warst. Du bist zu bekannt geworden. Ich halte es jetzt für besser, wenn du nicht mehr in die Fabrik kommst. Du solltest dich von nun an möglichst still und unauffällig verhalten.«
»Meinst du wirklich?« Yayoi blickte kurz zu Masako auf. Dann, aus Erleichterung vielleicht, rutschte es ihr heraus: »Aber wenn ich nicht mehr zur Nachtschicht erscheine, denken dann die anderen nicht sofort, dass ich zu Geld gekommen bin?«
Ja, hatte sie denn die ganze Zeit nur so getan, als bliebe alles beim Alten, aus Furcht, Yoshië und Kuniko könnten Wind von der Versicherung bekommen? Masako sah Yayoi entgeistert an. Seit dem Mord an Kenji war eine berechnende Seite an ihr zum Vorschein gekommen, die sie vorher nicht gehabt hatte. »Kümmer dich nicht um sie. Zum Fürchten sind die beiden ja schließlich nicht gerade.«
»Da hast du auch wieder Recht.« Yayoi nickte, aber ihre Augen blickten Masako zweifelnd an, so als läge ihr die Frage auf der Zunge: Und was ist mit dir, kann ich mich denn auf dich verlassen?
Masako kam ihr zuvor: »Ich werde schon nichts verraten.«
»Nein, natürlich nicht. Ich habe dir schließlich zwei Millionen gezahlt«, erwiderte Yayoi in abgeklärtem Tonfall. Masako spürte, dass sie ihr die Auseinandersetzung vor einiger Zeit in der Fabrik immer noch übel nahm.
»Ja. Ein guter Lohn für die Zerlegung deines Gatten.« Damit betrachtete Masako den Besuch für beendet und hob die Hand. »Ich mach mich mal wieder auf den Weg.«
»Danke, dass du dich extra herbemüht hast.«
Als sie wieder draußen im Wagen saß und die Fahrertür schon zugeschlagen hatte, kam Yayoi ihr hinterhergelaufen. Masako öffnete ihr die Beifahrertür.
»Ich wollte dich immer noch etwas fragen.« Yayoi stieg ein, wobei sie sich die nassen Haare, die sich in der Außenluft wohl kalt anfühlten, mit beiden Händen an den Kopf strich. Der Duft nach Haarspülung für junge Mädchen erfüllte das Wageninnere.
»Was denn?«
»Was hast du letztens in der Fabrik gemeint, als du von ›Arbeit‹ gesprochen hast? Dass du wieder eine Leiche zerstückelt hast?«
»Darüber werde ich mit dir nicht reden.« Masako ließ den Wagen an. Das Motorengeräusch hallte durch die stille Wohnstraße.
»Warum nicht?« Gekränkt durch die Zurückweisung, fuhr Yayoi zusammen und biss sich auf die wohlgeformten Lippen. Sie sah Masako nicht an, sondern stierte auf die Windschutzscheibe, wo einige welke Blätter zwischen den nicht ganz akkurat eingefahrenen Scheibenwischern klemmten.
»Weil ich nicht will.«
»Wieso? Was soll das heißen?«
»Dass es das Dümmste wäre, was ich tun könnte, es einer wehrlosen Frau wie dir auf die Nase zu binden.«
Yayoi sagte nichts weiter,
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