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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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Fabrik oder im Auto auch nicht, denn da werden sie vielleicht gestohlen, und das wäre schlecht.«
    Kazuo nahm das Päckchen in die Hand. Es war schwer, wie er gedacht hatte. Er fasste sich ein Herz und fragte: »Was ist der Inhalt? Ich trage die Verantwortung, wissen Sie.«
    »Geld und mein Reisepass«, antwortete Masako aufrichtig, griff in die Tasche ihrer Daunenjacke, zog Feuerzeug und Zigaretten heraus und zündete sich eine an.
    Als er »Geld« hörte, wunderte sich Kazuo über die Schwere des Umschlags. Wenn das stimmte, musste es sich um eine große Summe handeln. Warum wollte sie ihm so etwas anvertrauen? »Wie viel?«

    »Sieben Millionen«, sagte sie klar und deutlich. Sie nannte den Betrag, wie sie in der Fabrik die Stückzahl der Portionen bekannt gab, wenn sie den Arbeitsplan aufs Band legte.
    Kazuo fragte mit zitternder Stimme: »Warum bringen Sie es nicht zur Bank?«
    »Das geht nicht.«
    »Darf ich fragen, wieso nicht?«
    »Nein«, entgegnete sie knapp, stieß Zigarettenrauch aus und wandte sich zur Seite.
    Kazuo dachte nach. »Und was ist, wenn ich nicht da bin, wenn Sie es wieder brauchen?«
    »Dann warte ich, bis ich Sie erreichen kann.«
    »Wie denn?«
    »Ich komme einfach hierher.«
    »Gut. Ich wohne in Zimmer 201. Ich hole es dann aus der Fabrik.«
    »Danke.«
    Aber er wollte doch Weihnachten nach Hause zurück! Ob er ihr das sagen musste? Kazuo schwankte, schwieg aber letztlich. Wichtiger war jetzt herauszubekommen, ob Masako in irgendwelchen Schwierigkeiten war. »Sie sind lange nicht zur Schicht gekommen«, wagte er schließlich einen Schuss ins Blaue.
    »Ja. Ich war erkältet.«
    »Ach so. Ich dachte schon, sie hätten aufgehört.«
    »Ich höre nicht auf.« Masako drehte sich um und blickte in das Dunkel am Ende des Weges. Wenn man die Gasse vor dem Wohnheim in diese Richtung weiterging, traf man auf die Wegkreuzung zwischen der stillgelegten und der neuen Fabrik. Angst überschattete Masakos Augen. Das sah ihr nicht ähnlich. Irgendetwas Schlimmes war im Gange, so viel stand fest. Wahrscheinlich hat es mit diesem Schlüssel zu tun, den sie in den Kanal geworfen hat, dachte Kazuo. Seine feine Empfindsamkeit war manchmal seine Waffe, manchmal auch seine Schwäche. Jetzt musste er sie als Waffe verwenden.
    »Sie haben Probleme, nicht?«, fragte er beherzt, und Masako sah ihn wieder an.
    »Das ist Ihnen aufgefallen?«

    »Ja.« Kazuo nickte, wobei sich Masakos Angst in seinen eigenen Augen spiegelte.
    »Ich stecke in Schwierigkeiten. Ich werde Ihre Hilfe nicht weiter in Anspruch nehmen, ich bitte Sie nur darum, dieses Päckchen für mich aufzubewahren, ja?«
    »Was ist denn passiert?«
    Doch Masako antwortete nicht, sondern presste die Lippen aufeinander. Kazuo begriff, dass er sich wohl zu weit vorgewagt hatte, und wurde im Dunkeln rot. »Entschuldigung.«
    »Schon gut. Ich bin diejenige, die sich zu entschuldigen hat.«
    »Nein, nein, hab schon verstanden.« Kazuo steckte Masakos Umschlag behutsam in die Innentasche seiner schwarzen Jacke und zog den Reißverschluss hoch. Masako schien ihr Auto hier irgendwo geparkt zu haben, denn sie zog klimpernd ein Schlüsselbund aus der Jackentasche.
    »Dann, nochmals vielen Dank!«
    »… Masako-san?«, brachte Kazuo nach einigem Zögern hervor.
    »Ja?«
    »Verzeihen Sie mir, was ich damals getan habe?«
    »Aber natürlich!«
    »Ganz und gar?«
    »Ja«, antwortete Masako unumwunden und senkte den Blick. Für einen Moment begriff Kazuo überhaupt nicht, was geschehen war. Spielend leicht und im Nu hatte er die Prüfung bestanden, die er sich so schwer vorgestellt hatte. Aber gleichzeitig wurde ihm klar, dass das ja von vornherein ein Kinderspiel war, im Vergleich zu dem, worum es ihm im Kern ging: Masakos Herz zu erobern. Solange er ihr Herz nicht gewinnen konnte, war es vollkommen bedeutungslos, dass sie ihm verziehen hatte. So und nicht anders lautete die schreckliche Wahrheit.
    Kazuo ließ den Kopf hängen und legte seine Hand erst auf die Stelle, wo er unter der Jacke auf bloßer Haut Masakos Schlüssel trug, und dann dorthin, wo sich die Innentasche mit dem Umschlag befand. Sie fühlte sich dick und schwer an.
    »Aber...«, murmelte Kazuo leise. Masako legte mit weiterhin gesenktem Blick den Kopf schief, als spitzte sie die Ohren. »Wieso vertrauen Sie ausgerechnet mir so etwas Wichtiges an?«

    Das war es, was ihn am meisten interessierte. Masako warf die Zigarettenkippe auf den Boden und trat sie mit dem Turnschuh aus. Dann endlich hob sie das

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