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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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portionierten! Die beiden Frauen ließen die blutverschmierten Arme sinken, und ihre Blicke trafen sich über dem toten Körper in ihrer Mitte.
    »Wann wird bei euch der Hausmüll abgeholt?«
    »Donnerstags, also morgen.«
    »Bei uns auch donnerstags, das heißt, morgen früh müssen wir alles rausstellen. Das wird nur gehen, wenn du die Hälfte übernimmst.«
    »Du willst sagen, ich soll mit den ganzen Tüten da am Lenker nach Hause fahren?! Ich könnte sie ja nicht mal alle tragen!«
    »Ich bring sie mit dem Auto bei dir vorbei.«
    »Dann werden sie sagen, ein rotes Auto ist gekommen und hat all die Mülltüten abgeladen. Der Müllplatz wird doch von den Nachbarn mit Argusaugen bewacht!«
    »Stimmt auch wieder.« Masako begriff, dass sie sich die Abfallentsorgung zu einfach vorgestellt hatte, und biss sich auf die Lippen.
    Yoshië drängte. »Lass uns das hier lieber schnell beenden. Über die Mülltüten können wir uns nachher noch den Kopf zerbrechen!«
    »Einverstanden.«
    Sie griff zur Säge und durchtrennte die Schultergelenke. Nachdem die Arme abgeschnitten waren, mussten sie sich um die Eingeweide kümmern. Masako fasste sich ein Herz, nahm das Sashimi-Messer in die Hand und zog es in einem Schnitt vom Halsansatz bis zum Schambein hinunter. Die aschgrauen Gedärme quollen heraus: Sofort verbreitete sich der Gestank von verwesenden Innereien und Alkohol, den Kenji offenbar vergangene Nacht zu sich genommen hatte, und die beiden Frauen hielten entsetzt den Atem an.
    »Komm, wir spülen das einfach hinunter.« Masako machte Yoshië ein Zeichen, den Deckel vom Abfluss zu nehmen, besann sich dann aber, da ihr einfiel, dass er verstopfen könnte, und entschloss sich doch dazu, die Gedärme ebenfalls in Mülltüten zu packen.
    In dem Augenblick klingelte es an der Haustür, und die beiden Frauen hielten inne. Es war bereits nach halb elf.

    »Jemand von deiner Familie?«, fragte Yoshië erschrocken.
    Masako schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Um die Zeit sollte keiner von beiden zurückkommen.«
    »Dann mach einfach nicht auf.«
    »Selbstverständlich nicht.« Es klingelte noch ein paar Mal, dann blieb alles still.
    »Wer kann das nur gewesen sein?«, sagte Yoshië, ohne ihre Furcht zu verbergen.
    »Ach, bestimmt irgendein Vertreter. Wenn mich jemand darauf ansprechen sollte, sage ich einfach, ich hätte geschlafen.« Masako nahm die fettverschmierte Säge wieder in die Hand. Sie musste noch eine Weile in dieser Hölle ausharren und das Teufelswerk zu Ende bringen, sie konnte nicht zurück – dafür war es jetzt zu spät.

2
    Etwa zur gleichen Zeit, als Masako und Yoshië sich in ihren verzweifelten Kampf mit der Leiche stürzten, fuhr Kuniko Jōnouchi ziellos durch die flachen Straßen von Higashi-Yamato-City.
    Sie hatte niemanden, zu dem sie gehen, an den sie sich wenden konnte, und war für ihre Verhältnisse ziemlich am Boden zerstört. Sie parkte ihren Wagen neben dem gerade erst erbauten Springbrunnen auf dem Bahnhofsvorplatz. Der Anblick des Springbrunnens an diesem verregneten Morgen deprimierte sie noch mehr. Sinnlos – genauso sinnlos, wie alles, was ich hier veranstalte, dachte sie in einem seltenen Anflug von Einsicht, der sie höchstens einmal im Jahr überkam und der ihr unangenehm war.
    Sie schaute sich immer wieder verzweifelt zu der Telefonzelle um, die jenseits des Baustellenzauns vor dem Bahnhof zu sehen war, und überlegte hin und her. Sollte sie sich ein Herz fassen, Masako einfach anrufen und um Geld bitten? Ja, das würde sie tun, was dachte sie noch lange nach, sie fürchtete sich zwar insgeheim vor Masako, aber jetzt hatte ihr das Hemd näher zu sein als der Rock: Sie musste heute noch Geld auftreiben, daran ging kein Weg vorbei.
    Kuniko stieg aus und spannte ihren Schirm auf. In dem Moment schüchterte sie das Pschu-schu einer Luftdruckbremse ein; es klang, als würde der neben ihr haltende Bus sie beschimpfen. Da riss der
Fahrer auch schon das Fenster auf und brüllte sie an: »Hier ist Parken verboten!«
    Ach, lass mich doch in Ruhe, Blödmann, dachte sie bei sich, doch selbst die im Stillen ausgestoßenen Flüche klangen nicht so munter wie sonst. Kuniko kehrte zu ihrem Golf zurück, der mit dem nassen, durchhängenden Verdeck auch schon ganz erbärmlich aussah, und ließ den Motor an. Kopflos fuhr sie wieder auf die völlig verstopfte Hauptstraße, wo sie natürlich keine Telefonzelle mehr entdecken konnte. Aufgrund des Regens war der Verkehr ungewöhnlich stark, und so blieb

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