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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmuth Santler
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gelangt, wird ewig leben, d. h. erlöst werden. Das Heil wird also nicht (allein) durch den Glauben an die Person Jesus erreicht, sondern durch Verständnis seiner Verkündigung. Jesus ist ein Weisheitslehrer, ein charismatischer Führer einer andersdenkenden Gruppe, der sich philosophisch mitten im Hellenismus befindet, zwischen jüdischem Gesetz und griechischer Philosophie. Bezeichnend in diesem Zusammenhang die Entsprechung des Logion 1 im Johannesevangelium (Joh 8,51): „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit.“

    Faksimile der ersten Seite des Thomasevangeliums. Verblüffend ist der hervorragende Erhaltungszustand. Uni Bremen.
    An die Stelle von „Erklärung finden“ ist „mein Wort halten“ getreten. Die totale Christuszentrierung wird hier deutlich – zumal das Johannesevangelium selbst eine Sonderstellung unter den kanonischen Evangelien einnimmt und es Jahrhunderte dauerte, bis es den letzten Gnosis-Verdacht überwinden konnte und allgemein anerkannt wurde.
Statt auf die Lehre sind die kanonischen Evangelien absolut auf die Person Christi konzentriert.
    Die Trennlinie zwischen gnostisch-häretisch und rechtgläubig ist nicht selten unscharf; so gibt es namhafte Stimmen, die das EvTh für im Grunde gar nicht gnostisch erachten, besonders weil für die Zeit typisch gnostische Ausdrücke für den bösen Weltenschöpfer wie „Demiurg“ oder „Archont“ einfach fehlen. Andererseits kann dies auch als Argument für eine frühe Entstehungszeit ins Feld geführt werden: Gnostische Strömungen reichen weit in vorchristliche Zeiten zurück, und in Jesu Lebenszeit und kurz danach drückte man sich eben noch nicht so aus, wie es im 3. und 4. Jh. üblich wurde.
    Wahr ist, dass typisch gnostische Merkmale wie der Doketismus (die Scheinleibigkeit Jesu), die Ablehnung des Alten Testaments oder ein Licht-Finsternis-Dualismus im Thomasevangelium fehlen; es lässt sich nicht sagen, wie sich die Verfasser zu diesen gnostischen „Erkennungsmerkmalen“ gestellt hätten, weil sie in keiner Weise erwähnt werden. Das vermittelte Jesus-Bild ist sehr auf die Lehre bezogen, Wunder, Totenerweckungen oder Auferstehung fehlen. Es ist menschlich; weshalb das gnostische Evangelium sich auch eines besonderen Prädikates rühmen kann: Es gilt mehrheitlich als
    Aufschlussreich historisch
    Ein völlig neues Bild darauf, wie Jesus selbst sich seine Nachfolge vorstellte, wirft Spruch 12:
    Die Jünger sagten zu Jesus: „Wir wissen, dass du von uns gehen wirst. Wer soll uns dann führen?“ Jesus antwortete: „Geht zu Jakobus, dem Gerechten, wegen dem der Himmel und die Erde entstanden sind.“
    Von Paulus, der de facto der Begründer der „rechtgläubigen“ christlichen Kirche war, steht hier zwangsläufig nichts – er war ja nicht einmal in Kontakt mit Jesus gewesen. Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die vermuten, Paulus und Jakobus hätten sich einen Machtkampf um die Führung der jungen Christenheit geliefert. Wobei Jakobus dem mosaischen Gesetz und einem menschlichen Jesus näher stand, während Paulus sich weitaus stärker von den jüdischen Wurzeln abgrenzen wollte und auf Personenkult mit Tendenz zur Vergöttlichung setzte. Diese These unterstützt auch Spruch 27:
    Wenn ihr nicht fastet angesichts der Welt, werdet ihr das Königreich nicht finden. Wenn ihr den Sabbat nicht als Sabbat begeht, werdet ihr den Vater nicht sehen.
    In den ersten Jahrhunderten war es für Christen üblich, Sabbat und Sonntag zu feiern – was die Verwurzelung in der jüdischen Tradition deutlich herausstreicht. Spätestens mit der Synode von Laodikeia begann für bekennende Christen aber die Sechs-Tage-Woche. Es wurde strikt untersagt, den Sabbat zu ehren – was u. a. bedeutet, dass an diesem Tag gearbeitet werden durfte.
    Jesus und die Frauen
    Zu Jesus Sicht von Mann und Frau bzw. deren Aussichten auf Erlösung gibt Spruch 22 Auskunft:
    Jesus sah kleine Kinder, die gesäugt wurden. Er sagte zu seinen Jüngern: „Diese Kleinen (…) gleichen denen, die in das Königreich eingehen.“ Sie fragten: „Werden wir, indem wir klein sind, in das Königreich eingehen?“ Jesus antwortete: „Wenn ihr die zwei zu einem macht und wenn ihr das Innere wie das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere wie das Untere und wenn ihr das Männliche und das Weibliche zu einem einzigen macht, damit das Männliche nicht männlich und das Weibliche nicht weiblich ist, (…) dann

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