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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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auf.
    Remouald machte die Augen wieder zu.
    Er wusste nicht mehr genau, wo er war. Erneut kamen ihm Bilder in den Sinn, der Grill aux Alouettes , der Brand, Bilder deutlich wie Fotografien. Der Barkeeper hatte das Marienbild hinter dem Tresen aufgehängt. Ein Gast hatte es am Nachmittag erstanden und mitgebracht. Sie machten sich den derben Spaß, der Reihe nach vor ihr niederzuknien. Ein harmloses Possenspiel. Aber die Betrunkenen machten unablässig weiter, immer grotesker, jeder wollte der Hanswurst sein, und in Remouald waren Gefühle aufgekommen, die ihm bis dahin fremd gewesen waren: Verärgerung, Entrüstung, das dumpfe Verlangen, der Dummheit ein für allemal den Garaus zu machen. Er hatte angeboten, das Bild zu kaufen. Das wenige Geld, das er bei sich hatte, legte er auf den Tisch. Er zitterte. Sie hatten ihn verlacht: Beim Trödler würden sie das Dreifache bekommen! Unter Spott hatte Remouald das Lokal verlassen – verzweifelt, empört, mit dem Leben endgültig gebrochen, bedrückt von dem Gefühl, vom ganzen Universum immer nur verhöhnt worden zu sein. Auf der Treppe war ihm einsehr kleiner, gedrungener Mann mit breitem Kiefer und Knollennase entgegengekommen. Er hatte Remouald nach Streichhölzern gefragt, obwohl Remouald die Benzinkanister gesehen hatte.
    »Wie dem auch sei, ich bin nicht auf der Welt gewesen, um irgendjemanden zu retten«, murmelte er und drückte die Lider noch fester zusammen.
    Die Hütte hatte Feuer gefangen, die Flammen knisterten in den Reisigbündeln. Es klang wie morgendlicher Vogelgesang, zart und friedlich. Er spürte das einsetzende Schwindelgefühl, das er als Kind gehabt hatte, wenn das Karussell losfuhr, spürte die Hand seiner Mutter, die er bis zum letzten Augenblick versucht hatte festzuhalten, – dem Augenblick, in dem er sich endlich der Bewegung überließ – und die ganze Welt sich zu drehen begann; bis er schließlich nicht mehr wusste, wo sein Körper endete; er hatte das Gefühl, die Erde zu verlassen, mitten in den Himmel zu fallen, eingesogen von einem Wirbel aus Wolken und Blau – und das Lachen, das ihm in den Ohren sang, Célias Lachen.
    Die Flammen rückten näher. Er wusste, jetzt würde die Marter beginnen. Aber dieser Anfang war das Ende von etwas anderem, das seit zwanzig Jahren andauerte: eine kleinliche, schäbige Marter, in der jede Sekunde wie zur Befreiung nach der großen endgültigen Marter rief. Zwanzig Jahre dazu verdammt, in der Hoffnung auf Sühne zu leben. Und die Gnade, die jemals zu verdienen er nicht mehr gehofft hatte, wurde ihm jetzt plötzlich wider Erwarten zuteil. Dankbar nahm er die Strafe an. Die Hitze erreichte seine Füße, seine Knie, stieg ihm die Beine hinauf: Sein Körper würde leiden. Aber von diesem Leiden hatte er nichts zu befürchten. Er war bereit zur Versöhnung, bereit wie ein Reisender, der seit zwanzig Jahrenmit dem Koffer in der Hand auf dem Bahnsteig wartete. Die Flammen schlugen immer weiter an ihm hinauf, bis zur Vergebung. Nie hätte er gedacht, dass sich der Himmel in diese Höhen erheben könnte.
    Alle Momente seines Lebens versammelten sich um ihn, alles, was er als wirr erlebt hatte, nahm jetzt genau den richtigen Platz ein, jedes Ereignis, jede Enttäuschung wurde zu einer Note auf einem Notenblatt. Remouald öffnete wieder die Augen. Das Firmament selbst war zu einer einzigen großen Partitur geworden. Aber das war noch gar nichts: Plötzlich erkannte er den Ort, an dem er sich befand. Er war nicht mehr in der Holzfällerhütte. Er war in der Votivkapelle, die er im Hof an die Fabrikmauer gebaut hatte. Und diese kleine Kapelle war nun riesig wie die Welt …! Das hätte er nicht für möglich gehalten, nicht zu hoffen gewagt. Er hatte sich Bretter genommen, einen Hammer, Nägel, und hatte ganz allein in diesem Hof, mit eigenen Händen und dem Verlangen, in aller Stille von seinem Leiden Zeugnis abzulegen, einen Palast errichtet, der bis in die Sterne reichte.
    »Danke«, flüsterte er.
    Und in der Mitte dieser Welt, dieser von den Flammen erbauten Kathedrale, leuchtete das Gesicht der Heiligen Jungfrau mit den Notenblättern. Er sah sie. Sie lachte wie eine junge Frau, der man ihr neugeborenes Kind zeigte, voller Verblüffung über die Freude zu lieben. Und Remouald überließ sich diesem Lachen. Endlich befand er sich in jenem Augenblick vor der Zeit, in jenem Augenblick, der für ihn vor dem Anfang der Zeit gelegen hatte, in dem Remouald noch nichts war, in dem noch niemand etwas war. Diese Zeit

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