Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
Investmentbanken nicht allein da. Prakash stellte mir immer wieder peinliche Fragen zur Rolle von Goldman während der Internetblase, die in unserem letzten Studienjahr geplatzt war, bevor wir 2001 unsere jeweilige Laufbahn in der Finanzwirtschaft einschlugen. Ich hatte mich an Prakashs kritische und bisweilen sarkastische Art gewöhnt, die er nicht nur in Bezug auf die Märkte an den Tag legte, sondern zum Beispiel auch in der Frage, ob Tyrone Willingham wirklich der richtige Mann war als Football-Coach für Stanford. Prakash war das, was man an der Wall Street auch einen «perma-bear» nennt – jemand, der immer «bärisch», also pessimistisch (statt optimistisch oder «bullisch») denkt, für den das Glas immer halb leer ist. Trotzdem brachten mich manche seiner Argumente ins Grübeln.
Hatte Goldman Sachs Unternehmen wie Webvan und eToys durch die Übernahme ihrer Emissionen seinen goldenen Stempel aufgedrückt, der dem Anlegerpublikum vermittelte, dass diese Anlagen sicher waren? Hatten die Research-Analysten der Firma wirklich geglaubt, dass diese Unternehmen Milliarden Dollar wert waren – obwohl sie zum Zeitpunkt ihres Börsengangs Verluste machten? Verhielt sich Goldman hochgradig verantwortungslos, indem es der Blase Nahrung gab, indem es Investoren in minderwertige Unternehmen lockte, damit es seine siebenprozentige Gebühr einstreichen und den großen Reibach machen konnte, wenn die Unternehmen an die Börse gingen? Prakash war selbst Research-Analyst und setzte grundsätzlich auf objektive harte Fakten. Er glaubte nicht an Goldmans Objektivität – und auch nicht an die Fairness des Unternehmens gegenüber dem Anlegerpublikum.
Ich habe regelmäßig erlebt, wie Rudy unseren Bankern unangenehme Fragen stellte, bevor er seinen Kunden Geschäfte antrug, doch das kann ich nicht von vielen anderen behaupten. Selbst wenn Prakash recht hat, dachte ich, waren die Investoren doch trotzdem auch selber schuld, wenn sie in den Hype hineinkauften – oder etwa nicht? Außerdem hatten Merrill Lynch, Salomon Smith Barney und Credit Suisse noch weitaus skrupelloser konfliktträchtige Empfehlungen abgegeben. Wir sind hier bei Goldman Sachs, dachte ich. Wir haben uns vielleicht den einen oder anderen Fehltritt geleistet, aber unser Standard ist höher als in allen anderen Unternehmen.
Prakash arbeitete für ein Schwergewicht der Anlageverwaltungsbranche – einen Kunden, der für die gesamte Wall Street interessant war und der aufgrund seiner Größe, seines Einflusses auf den Markt und der Millionen von Dollar an Provisionen, die er jedes Jahr zahlte, wohl einer der größten und wichtigsten überhaupt war. Dass ich dort einen guten Freund als Ansprechpartner hatte – einen, der mir exklusiv mitteilen konnte, ob seine Firma bestimmte Titel optimistisch oder pessimistisch beurteilte –, war ein absoluter Glücksfall und für mich sehr wertvoll. Rudy wusste diese Beziehung zu schätzen. Einmal flog er mit mir nach Boston, um mit Prakash und dessen Kollegen bei einem Match mit Kunden von Goldman Sachs Basketball zu spielen. Neben Rudy mit seinen knapp zwei Metern und dem eins neunzig großen Prakash sah ich allerdings keine Sonne. Immer wenn Prakash nach New York kam, forderte mich Rudy auf, ihn möglichst fein zum Essen auszuführen – auf Rechnung von Goldman Sachs natürlich. Gewöhnlich hatte Prakash nichts dagegen und überließ mir die Auswahl des Restaurants. Wir gingen oft zusammen ins SushiSamba im West Village.
Eines Tages erwähnte Rudy zufällig, dass Ted Simpson, einer von Goldmans Verkäufern in Boston, seit Jahren für alle dortigen Kunden ein Tischtennisturnier veranstaltete. «Oh», sagte ich, «ich habe früher gar nicht schlecht gespielt.»
«Wie gut?», fragte Rudy allen Ernstes.
«Ich habe mit dem südafrikanischen Team an der Makkabiade teilgenommen», erzählte ich. «Wir haben die Bronzemedaille gewonnen.»
Rudys Augen leuchteten auf.
Mir war klar, dass ein fähiger Tischtennisspieler nicht das gleiche Ansehen genoss wie jemand, der Tiger Woods in der PGA Junior Series geschlagen hatte oder Roger Federer bei der Junioren-Konkurrenz in Wimbledon. Aber ich war wirklich gut, und zwar aus folgendem Grund: Ich hatte als Zehnjähriger in Johannesburg angefangen, mit meinem Vater zu spielen – auf einer alten klappbaren Platte in unserer Garage. Bald spielten wir jeden Tag, sobald er von der Arbeit kam. Mein Vater hielt sich für einen passablen Spieler, doch schon nach drei Monaten hatte er
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