Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
schien nicht auf Anhieb klärbar zu sein. Die Untersuchungen
der Polizei dauerten immer noch an, insbesondere deshalb, weil er zu Protokoll gegeben
hatte, dass die Bremsen versagt hätten, dass er sie ohne jeglichen Widerstand habe
durchtreten können, dass sein Fuß ins blanke Nichts gestoßen sei. Er wies jede Schuld
von sich, nein, es sei kein Fahrfehler gewesen, nein, er habe sich keineswegs zu
einem unbedachten Überholmanöver verleiten lassen. Irgendjemand müsse ihnen nach
dem Leben getrachtet haben. Irgendjemand müsse sich an dem Wagen zu schaffen gemacht
haben.
Stirnrunzeln.
Wer könne denn ein Interesse daran haben, ihn und seine Freundin aus dem Wege zu
räumen? Sie, die sie hier gar niemanden kannten? War das nicht eine ausgemachte
Räuberpistole? Nochmals Stirnrunzeln, dann Kopfschütteln.
Er protestierte.
Oh nein, ganz und gar nicht. Da war er sich inzwischen absolut sicher. In den Stunden,
in denen er bei Paulette – so nannte er sie zärtlich – am Bett gesessen und darauf
gewartet hatte, dass sie wieder zu sich kam, in all den Stunden war ihm klar geworden,
dass der Unfall im Zusammenhang mit ihrem Besuch bei dem Comte stehen musste. Offensichtlich
hatten sie dessen Kreise nachhaltig gestört, als sie mit der alten Sache von dem
Kunstraub dahergekommen waren. War es nicht auch ganz eigentümlich gewesen, dass
sich der bedrohliche Wachmann in der Nähe ihres Wagens aufgehalten hatte, als sie
aus dem Haus herausgekommen waren?
Nun, dem
werde man nachgehen, aber, wie gesagt, das Ganze klinge doch recht unwahrscheinlich,
nicht wahr? Aber sicher, gewiss, man würde ihn auf dem Laufenden halten. Selbstverständlich
würde die Polizei tun, was sie könne.
Er saß nun
brütend bei einem Glas Scotch auf der Terrasse des vornehmen ›Negresco‹ und versuchte,
weitere Zusammenhänge herzustellen – Zusammenhänge, die die Polizei mit Sicherheit
belächeln und als Hirngespinst abtun würde. Er jedoch glaubte mittlerweile felsenfest,
dass hier ein Riesenkomplott im Gange war.
Wer hatte
sie denn überhaupt auf die Spur dieses Kunstraubes gebracht? Der Galerist natürlich,
ja, der Galerist! Der sich so aufdringlich an Paulette herangemacht
hatte. Und war es nicht mehr als eigentümlich gewesen, dass er sich scheinbar urplötzlich
an diesen so lange zurückliegenden Kunstraub erinnert hatte? Womöglich war er selbst
in die ganze Geschichte verwickelt, womöglich war er einer der Komplizen von damals.
Ja, klar! Er war ja geradezu prädestiniert gewesen, die Hehlerrolle zu übernehmen.
Wer, wenn nicht er, konnte solche Bilder an den Mann bringen?
Allerdings
machte das keinen wirklichen Sinn. Wenn er tatsächlich der Hehler war, wenn er selbst
von dem Raub profitiert hatte, warum, um alles in der Welt, sollte er dann ihre
Neugier wecken? Warum sollte er sie dann auf die eigene Spur setzen? Nein, das war
unlogisch, völlig unlogisch. Und trotzdem, irgendwas an der Sache war komisch. Er
musste mit Paulette darüber reden. Wenn sie doch nur endlich aufwachen würde. Was,
wenn sie überhaupt nicht wieder zu sich kam? Was, wenn sie sterben würde?
Paula saß am Computer und schrieb.
Sie hatte ihre Geschichte im Griff, sie war jetzt wirklich drin. Es lief wie geschmiert.
Schon seit Wochen klapperte sie von morgens bis abends auf der Tastatur, mit heißem
Kopf und schmerzendem Rücken, und nur ab und zu machte sie eine Pause, um sich ein
Glas Milch oder ein Stück Brot zu holen.
Total plemplem,
laut Robert.
Hatte der
getobt, als sie zurückkam. Dass es ihr nicht gut ging, das hatte ihn überhaupt nicht
interessiert. Er war stinksauer gewesen. Na ja, klar, schließlich hatte sie ihn
fast sechs Wochen hier allein sitzen lassen. Aber trotzdem – null Mitleid. Dabei
hätte sie tot sein können.
Sie hatten
mehr Glück als Verstand gehabt, Simon und sie. Obwohl der Peugeot nur noch Schrott
gewesen war, waren sie mit einem blauen Auge davon gekommen. Das heißt, Paula mit
Magenprellung, Gehirnerschütterung und oberflächlichen Schnittwunden in der linken
Gesichtshälfte – der Arzt meinte, dass nichts zurückbleiben würde – und Simon mit
ein paar leichten Schürfungen. Allerdings auch mit einem Schock.
Dabei hatte
er doch wirklich keine Schuld, es hätte ihr genauso passieren können. Und wie geistesgegenwärtig
er gewesen war – auf die andere Seite auszuweichen. Wenn er das nicht getan hätte,
dann wäre das Ganze anders ausgegangen. Und die Sache mit der Mietwagenfirma hatte
er auch noch gut über die
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