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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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dritten Tag saß sie auf Friedrichs Bett und sah ihn aus großen Augen an. Minuten vergingen.
    »Willst du Ole god dag sagen?«, fragte er.
    Sie nickte.
    »Ole, willst du Guri hallo sagen?«, fragte er mich und sah mich an.
    Was für eine Frage!
    »Oh ja, takk !«, antwortete er selbst mit seiner brummigen Ole-Stimme.
    Guri musste lachen.
    »Hallo, kleine Guri«, fuhr er in gleicher Stimmlage fort. »Nimmst du mich in den Arm?«
    Sie schaute ihn fragend an, doch als er sich neben sie auf das Bett setzte und mich in ihre Arme drückte, strahlte sie.
    »Hei, Ole!«, sagte sie und streichelte vorsichtig mein Fell.
    Ach, wie ich diese Berührung genoss. Ich wünschte, sie würde nie aufhören.
    Es mag vieles geschehen im Leben eines Bären, vieles mag sich richtig und manches falsch anfühlen. Doch letzten Endes ist es immer am schönsten im Arm eines kleinen Mädchens. So ist es einfach, ich weiß nicht, warum.
    Guri begann fremdsprachig über dies und das zu dozieren, und Friedrich lauschte ihr belustigt. Nicht, dass er – im Gegensatz zu mir – verstanden hätte, wovon die Rede war, doch es schien ihm zu gefallen, dass es in diesem fremden Land wenigstens einen Menschen gab, der ihm ohne Angst und Vorbehalt begegnete.
    Nur Kinder können so vertrauensvoll in der Stube des Feindes sitzen.
    Guri war wie Robert. In ihrem Leben hatte der Krieg bislang keine Rolle gespielt, weshalb sollte sie also Angst haben?
    Dieses kleine Mädchen nahm keinen Umweg: Sie eroberte unsere Herzen im Sturm und verband mit ihrem glucksenden Lachen und Selbstverständlichkeit, was eigentlich unvereinbar sein sollte.
    Ein Ruf ließ sie auffahren, als sie uns gerade erzählte, dass sie elf Hühner und zweiundzwanzig Kühe hätten und dass es bald ein Kälbchen von der dicken Lina geben würde.
    »Guri! Wo steckst du nur wieder? Guri!«
    Friedrich sah sie an. Sie legte den Zeigefinger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Das Rufen kam näher.
    »Guri! Du kommst sofort her. Du störst doch wohl den Fremden nicht!«
    Es klopfte zaghaft an der Eingangstür.
    »Herein«, rief Friedrich.
    Langsam öffnete sich die Tür, und Torleif Haugom steckte unsicher den Kopf herein. Als er seine Tochter auf Friedrichs Bett sitzen sah, stürzte er quer durchs Zimmer und riss das Mädchen am Arm hoch.
    »Was tust du denn hier?«, fragte er scharf. »Hab ich dir nicht verboten, zu diesem Nazi zu gehen. Leg den Bär weg. Leg ihn hin, hab ich gesagt. Du Unglückskind.«
    Guri hielt mich eisern fest.
    Friedrich hatte sich vom Stuhl erhoben und legte dem zornigen Bauern von hinten beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
    Torleif schnellte herum, Wut und Angst standen in seinem Gesicht.
    »Entschuldigung«, sagte er auf Deutsch. »Bitte, Entschuldigung.«
    Seine Wangen waren rot, und er schob ein weiteres »Entschuldigung, Herr Friedrich« hinterher.
    Friedrich musste lächeln. Torleif erstarrte.
    Ich weiß nicht, was er in diesem Moment erwartete, aber er schien auf alles gefasst. Er konnte Friedrichs Lächeln nicht deuten. Für ihn war es das kühle Lächeln der Besatzer, der Nazis, nicht das Lächeln eines normalen Mannes.
    »Es ist schön, wenn Guri mich besucht«, sagte Friedrich ruhig. »Wirklich. Ole freut sich auch, nicht wahr, Guri?«
    Guri sah ihren Vater trotzig an.
    »Das ist Ole«, erklärte sie ihm und hielt mich in die Höhe.
    »Jeg heter übrigens Fritz«, sagte Friedrich stolz. »Bitte nennen Sie mich einfach Fritz. Nicht Herr Friedrich. Fritz.«
    Torleif sah Friedrich zweifelnd an.
    »Fritz sagt, ich darf kommen und mit Ole spielen. Und außerdem bringe ich ihm Norwegisch bei«, erklärte Guri aufmüpfig.
    »Das lässt du hübsch bleiben, hast du verstanden. Du störst Herrn Friedrich nicht«, wies Torleif seine Tochter zurecht.
    »Er heißt Fritz. Und er hat es erlaubt.«
    »Es ist mir egal, was dieser Mann dir erlaubt. Es ist schon schlimm genug, dass er hier ist, um uns alles Mögliche zu verbieten, verstehst du das denn nicht?«
    »Er hat mir nichts verboten!«, maulte Guri.
    »Kein Problem«, sagte Friedrich in dem Versuch, den Streit zu schlichten, obwohl er kein Wort von dem verstand, was Guri oder ihr Vater sagten. »Guri darf gerne hier spielen. Ich freue mich.«
    »Komm jetzt!«, sagte Torleif ein wenig verunsichert und zog das Mädchen hinter sich her. »Und gib den Bären zurück.«
    Er duldete keinen Widerspruch, und Guri fügte sich. Für heute.
    »Tschüss, Fritz«, sagte sie und drückte mich in Friedrichs Hand. »Tschüss,

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