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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Anschließend mündlich. Wahnsinn. Ich erinnere mich, dass ich aus einer Silberschale eine Karte ziehen und über Gerichtsmedizin reden musste. Medicina forensis wird gemeinsam mit politia medica als Teil der medicina publica angesehen. Doch auf dieses alberne Getue fielen sie nicht herein, und der Zensor, der in der Mitte saß, fragte auf Dänisch: Kann der Kandidat Norwegisch? Trotzdem brauchte ich erst einmal Wasser. Doch bald machte ich es wieder wett, als ich durch einen Glückstreffer den Ausdruck rechtsmedizinisch denken fand. Jetzt waren die hohen Herren an der Reihe, sich vorzubeugen. Kann der Kandidat das bitte vertiefen? Ich musste es geschafft haben. Man entließ mich. Die übrigen Examinierten, diese Aalquappen, fuhren mit viel Getöse ins Bristol. Ich fuhr leise mit Alfred heim und wartete. Ich hätte so gern Lund besucht, brachte es aber nicht über mich. Ich traute mich nicht. Ich wiederhole, mit aller Kraft, aus vollem Halse, ich schreie es hinaus: Nichts ist passiert! Ich habe ihre Blätter geduscht. Das war alles. Ich habe nur ihre Überwinterung geteilt.
    Dann kamen die Zensuren. Alfred fuhr mich wieder hinunter zur Universität. Am liebsten wäre ich auf und davon, doch dazu fehlte mir die Kraft. Die Liste mit den Ergebnissen hing im kleinen Festsaal. Ich stand als Letzter in der Schlange. Einige drängelten vor. Einige zögerten, trauten sich kaum hinzusehen. Einige sanken an den Wänden nieder und verbargen ihr Gesicht in den Händen, während andere mit hochgereckten Armen ins Freie liefen und von stolzen Eltern empfangen wurden. Das war kein schöner Anblick. Ich hatte im Übrigen genug mit mir zu tun. Heimlich holte ich eine Dettweiler Flasche heraus, die ich aus dem Depot in Gaustad entwendet hatte, und spuckte zweimal in die Innentasche. Und plötzlich schien es, als wären wieder alle Augen auf mich gerichtet, doch dieses Mal auf eine andere Art. Wie soll ich es erklären? Mit Respekt? Ich weiß es nicht. Ich knöpfte schnell die Jacke zu und hatte, wie gesagt, mehr als genug mit mir zu tun. Aber mittlerweile sah ich, wie die, die vor mir gestanden hatten, zur Seite wichen und mich durchließen. Was sollte das bedeuten? Konnte man nicht gesittet in der Schlange stehen bleiben? Wozu sonst war eine Schlange gut? Jetzt erkannte ich, wie sie mich ansahen. Das war kein Respekt, sondern eine Art von Wut, gemischt mit Verlegenheit. Das konnte ich ihrem steifen Lächeln entnehmen. Dennoch trat ich an die Liste heran. Die Namen standen in alphabetischer Reihenfolge. A. B. C. D. E. F. G. H. Haud illaudabilis. Laudabilis. Non contemnendus. Doch da. Da! Bernhard Hval! Laudabilis cum litteris commendatis. Hätte es besser sein können? Nein. Und für die Kurzsichtigen und diejenigen, die es nicht verstanden, war auch noch eine Zahl hinzugefügt worden: 12. Zwölf ist meine Zahl. Ich brach bewusst und mit Willen Ordnungsregel 3. Was sich rächen sollte. Ich ließ den Blick über den Rest der Liste schweifen. Niemand auf meinem Niveau. Oberste Stufe. Ich stand auf der obersten Stufe und konnte hinuntersehen, dorthin, wo die anderen standen und hinaufschauten und sich das Genick brachen. Welch ein Sieg! Welch eine Katastrophe! Noblesse oblige, nicht wahr? Mein Vater hätte dasselbe sagen können. Der Vorsitzende im Prüfungskomitee, Professor Eick, kam zu mir und gab mir die Hand.
    »Bernhard Hval, ich gratuliere. Und Sie wissen, was das bedeutet?«
    Da fiel es mir wieder ein.
    »Natürlich. Und es wird mir eine Freude sein!«
    Jetzt löste sich das steife Lächeln ringsum und wurde zu Gelächter, zu Schulterklopfen, herzlichen Glückwünschen, Bernhard, viel Glück, du, sie glaubten, sie hätten etwas, worauf sie sich freuen konnten.
    Professor Eick, möge er in der Hölle schmoren, ließ meine Hand los.
    »Schön! Wir freuen uns schon.«
    Ich eilte zum Roadster und setzte mich auf die Rückbank.
    »Fahr«, sagte ich.
    »Zum Skovveien?«, fragte Alfred.
    »Wohin auch immer. Und lass das Verdeck runter.«
    Die Dunkelheit glitt langsam über mich, wir fuhren, und ich fing an zu weinen.
    Nach einer Weile fuhr Alfred an den Bürgersteig und hielt an.
    Ich weinte immer noch.
    »Ist es so schlecht gelaufen?«, fragte er.
    »Ganz im Gegenteil. Ich bin der Beste geworden, Alfred.«
    »Und warum weinst du dann? Aus Freude?«
    Ich wischte die Tränen ab und schaute auf.
    »Weißt du, was das bedeutet, Alfred?«
    »Das bedeutet, dass dein Vater stolz auf dich wäre, Bernhard.«
    »Das bedeutet, dass ich eine Rede

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