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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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– entwarfen ein Sternbild. Rauchspiralen hüllten die Hubschrauber ein, und der Sog der Rotorblätter zog diese an und stieß sie in grauen Schleiern wieder aus, die endlos umherwirbelten. Unten, ganz weit unten drehte sich eines der Hovercrafts um sich selbst, gleich einem Derwisch aus Silizium und Karbon. Um das Boot herum trieben Leichen, und weiter weg flohen, gegen die Strömung anschwimmend, eine Handvoll Kämpfer. Zu ihnen hin steuerte der Pilot das Monster. Der Bordschütze im vorderen Teil des Rumpfes lud die Maschinengewehre und hielt den Atem an. Der Pilot drückte den Hebel fest nach unten.
    Ansetzen zum Sturzflug, direkt in die Funken hinein. Der Apparat begann zu vibrieren, die Rotoren, einem allzu jähen Druck ausgesetzt, zitterten. Der Pilot hatte den Eindruck, einen Lichtbogen zu durchfliegen und in eine Hölle, eine verzerrte, chaotische und wilde Landschaft hineinzuschweben. Trotz des Nachtsichthelms war der Schütze orientierungslos, geblendet von dem plötzlichen Regen der Raketen.
    »Hier Apache 2, Raketenbeschuss aus fünf und sechs Uhr«, merkte der Pilot lakonisch an.
    »Hier Apache 1« , antwortete eine Stimme in seinem Helm, »Tut mir einen Gefallen: Bombt diese Hundesöhne in die Steinzeit zurück.«
    »Verstanden, Apache 1 . Beendet.«
    Die drehbaren 30-mm-Bordkanonen ächzten unter den Stabilisatoren und spien rote Tentakel aus, die vor dem Hubschrauber herumtänzelten.

30
    Gegen die Strömung ankämpfend, schwamm Jacques zum Ufer. Seine Brust zitterte bei jeder neuen Explosion, wie gefangen in einer verrückten Beatbox, die ihn am Atmen hinderte, daran, die Panik in ihm zu beruhigen. Mit aller Kraft klammerte er sich an einen Ast, um nicht fortgerissen zu werden. Die Kleidung klebte an seiner Haut und erschwerte seine Bewegungen. Noch eine Anstrengung. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis der Ast brach. Mit Füßen und Armen wild um sich schlagend, gelang es Jacques, sich dem Ufer zu nähern, wo er eine Mangrovenwurzel zu fassen bekam. Dann arbeitete er sich mühsam durch dichtes Algengespinst hindurch, bis er sich mit den Fingernägeln im festen Boden festkrallte.
    Als er durch das hohe Gras kroch, brach er in Tränen aus. Ihm wurde übel, er setzte sich auf und übergab sich. Wie gelähmt verharrte er eine Zeit lang in dieser Haltung. Dann drehte er sich um, plötzlich beunruhigt, Benjamin nicht an seiner Seite zu sehen.
    Durch das Gebüsch hindurch sah er, wie der Funkenregen eines phantastischen Feuerwerks den Dschungel einhüllte. Raketen zogen goldene Diagonalen durch die Nacht. Feuersalven webten ein mehrfarbiges Spinnennetz über der Kampfzone. Bald schien der ganze Bereich nur noch eine einzige flüssige Feuersbrunst zu sein, gleich riesigen Fackeln aus blendend grellen Flammen und Farben.

31
    Forman Stona sah, wie über ihm Kugeln die Oberfläche des Flusses durchsiebten. Er sah in Zeitlupe, wie sie die langen Algenbündel, die sich auf dem Grund des Gewässers schlängelten, zerschnitten. Er hörte, wie sie das helle Pfeifen einer Flöte nachahmten und unter Wasser schräge Bahnen zeichneten. Er sah, wie kupferfarbene Funken die Ertrunkenen durchlöcherten, die schwerelos neben ihm trieben, und, ähnlich einem fliehenden Tintenfisch eine Farbwolke ausstießen, die allerdings nicht schwarz, sondern purpurn war.
    Die Agonie befreite ihn auf sanfte Weise von seiner Angst und seiner Wut und verzerrte seine Empfindungen und Gefühle. Das Wasser in seinen Lungen, das Blut, das aus seiner Wunde floss, bereiteten ihm keinerlei Schmerzen. Im Gegenteil. Die flüssige Stille, die ihn überwältigte, dämpfte den Singsang der Waffen und der schwächer gewordenen Schläge seines Herzens. Zwischen seinem Sturz in die Tiefen des Stromes und diesem Moment hätte ebenso gut eine Stunde oder eine Sekunde vergangen sein können – er hätte es nicht zu sagen gewusst. Seine Hirnzellen wurden nacheinander ausgeknipst. Sein Magen verkrampfte sich. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt und stieß eine Luftblase aus, die senkrecht nach oben stieg.
    Er gab sich den trügerischen Versprechungen einer besseren Welt im Jenseits hin, als Benjamin ihn am Handgelenk packte und mit Gewalt an die Oberfläche zog.

32
    Unter einer Leiche versteckt, schwang Umaru die Kalaschnikow mit gestrecktem Arm und drückte ab. Salven aufs Geratewohl. Das Prasseln der Einschläge im Rumpf des Fischkutters. Es gab Schreie und Schüsse mit Schrotmunition. Andere Schüsse verhallten im Wind. Knochensplitter

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