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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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das Podium mit seinen großen roten Händen. »Ich will ehrlich sein«, sagte er. »Die Sowjets sind stärker, als wir dachten. Ihr seid hier, weil wir Russland im Frühjahr nicht eingenommen haben. Viele von euren Kameraden sind schon gestorben. Ihr werdet dazu ausgebildet, noch mehr Männer in die Schlacht zu führen. Aber ihr seid Magyaren, Männer! Ihr habt tausend Jahre Krieg überlebt. Kein Feind ist euch ebenbürtig. Kein Gegner kann euch aufhalten. Ihr habt in Pest die Tataren besiegt. Ihr habt achtzigtausend Türken von der Burg Eger aus in die Flucht geschlagen. Ihr wart die besseren Kämpfer, die besseren Anführer.«
    Wildes Gejohle brach unter den Offiziersanwärtern aus; der General wartete, bis der Lärm abgeebbt war. »Vergesst das nie«, sagte er. »Ihr kämpft für Ungarn. Für Ungarn und sonst nichts. Die Deutschen sind vielleicht unsere Verbündeten, doch sie sind nicht unsere Herren. Ihr Weg ist nicht unser Weg. Die Magyaren sind kein arisches Volk. Die Deutschen sehen in uns eine rückständige Nation. In ihren Augen haben wir Barbarenblut, verquere Überzeugungen. Wir weigern uns, den Totalitarismus voll umzusetzen. Wir deportieren unsere Juden und unsere Zigeuner nicht. Wir halten an unserer seltsamen Sprache fest. Wir kämpfen, um zu gewinnen, nicht um zu sterben.«
    Erneuter Jubel von den Männern, diesmal zögerlicher. Den jungen Offiziersanwärtern war beigebracht worden, die deutsche Autorität vorbehaltlos anzuerkennen; sie hatten gelernt, von Ungarns übermenschlichem, übermächtigem Verbündeten nur mit uneingeschränktem Respekt zu sprechen.
    »Erinnert euch daran, was in diesem Sommer am Ufer des Don geschah«, sagte Nagy. »Die zehn Divisionen unseres General Jány waren zwischen Woronesch und Pawlowsk auf über hundert Kilometer verteilt. Mit nur diesen zehn leichten Divisionen sollten wir nach Ansicht von Generalfeldmarschall von Weichs die Russen am Ostufer festhalten. Aber ihr kennt die Geschichte: Unsere Panzer waren machtlos gegen die T-34 der Sowjets. Unsere Waffen waren minderwertig. Unsere Nachschubversorgung versagte. Unsere Männer starben. Daher zog Jány seine Divisionen zurück und ließ sie eine Abwehrstellung einnehmen. Er erkannte die Lage und traf eine Entscheidung, die das Leben von Tausenden von Männern rettete. Dafür warfen von Weichs und General Halder ihm Feigheit vor! Vielleicht würden sie uns mehr bewundern, wenn wir vierzig- oder sechzigtausend Männer hätten in den Tod laufen lassen, statt nur zwanzigtausend wie bisher. Vielleicht hätten sie gerne gesehen, wie wir unser Barbarenblut bis auf den letzten Tropfen vergießen.« Der General hielt inne und schaute über die Reihen schweigender Männer, schien ihnen im Dunkeln in die Augen zu sehen. »Deutschland ist unser Verbündeter. Sein Sieg wird uns stärker machen. Aber glaubt nie, dass Deutschland ein anderes Ziel hat als das Überleben des Reichs. Unser Ziel ist das Überleben Ungarns – und damit meine ich nicht nur die Erhaltung unserer Souveränität und unserer Gebiete, sondern auch das Leben unserer jungen Männer.«
    Die Offiziersanwärter schwiegen gedankenverloren. Jetzt klatschte niemand; alle warteten darauf, dass Nagy fortfuhr. Ihnen war so selten die Wahrheit gesagt worden, dachte Andras, dass sie sie sprachlos machte.
    »Ihr seid ausgebildet worden, um geschickt zu kämpfen und unsere Verluste gering zu halten«, fuhr Nagy fort. »Wir wollen, dass ihr lebendig nach Hause zurückkehrt. Wir werden euch nicht weniger brauchen, wenn der Krieg vorbei ist.« Er hielt inne und seufzte schwer; seine Hände zitterten nun, als hätte es ihn große Anstrengung gekostet, diese Rede zu halten. Er warf einen kurzen Blick hinter die Bühne, in die Dunkelheit, wo Andras stand und zuschaute. Seine Augen ruhten eine Weile auf Andras, dann blickte er wieder nach vorn auf die jungen Offiziersanwärter. »Und noch eins«, sagte er. »Respektiert die Männer vom Arbeitsdienst. Sie machen sich die Hände für euch dreckig. Sie sind eure Brüder in diesem Krieg. Manche Offiziere sind entschlossen, sie wie Hunde zu behandeln, aber das wird sich ändern. Seid gute Menschen, will ich damit sagen. Zollt dort Respekt, wo ihr ihn schuldig seid.« Er senkte den Kopf wie in Gedanken, dann zuckte er mit den Schultern. »Das ist alles«, sagte er. »Ihr seid hervorragende, mutige Soldaten, ihr alle. Ich danke euch für eure Arbeit.«
    Begleitet von düsterem, verblüfftem Applaus stieg der General vom Podium. Niemand

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