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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Milchpulver. Die ultimative Lösung für alle, die zeitig den Kampf gegen das Altern aufnahmen. »Intakte Mösen, marmorierte Brüste«, wie es Janken Vigernes einmal in der Mittagspause ausgedrückt hatte, im Beisein der Arzthelferinnen. Er liebte die derbe Art. Aber die Frauen hatten nur gelacht. Vage erinnerte sich Thomas, daß er dieser Frau mit einem Antrag auf plastische Chirurgie behilflich gewesen war, ohne daß er die Details behalten hätte.
    »Die Pille geht in Ordnung«, sagte er in der lockeren Art, mit der das Geschäftsmäßige seines Berufs betont wurde. Letztlich glich das, was er machte, einem Kolonialwarenladen. Verkauf von Medikamenten im großen Stil. In Packungen und Schachteln und Fläschchen. Auch an einem mittelguten Tag ging einiges weg.
    Er suchte die Datei, um zu sehen, welche Pille sie nahm. Dabei konnte er sich nach der kleinen Tochter erkundigen.
    »Das süße kleine Ding hat also eine ruhigere Nacht gehabt?«
    »Es war, als würde ein neues Leben anfangen«, sagte die Frau dankbar.
    »Und jetzt paßt die Großmutter auf die Kleine auf?« fragte er.
    »Nein, sie ist allein daheim und schläft wieder. Ein neues Leben wie gesagt. Früher konnte ich sie ja nicht einfach so allein lassen.«
    Thomas Brenner merkte, wie sich seine Gesichtshaut straffte. Der haarfeine Übergang vom Lächeln zur Grimasse.
    »Sie schläft?« wiederholte er. »Allein daheim?«
    Sie schien die klangliche Veränderung seiner Stimme gar nicht wahrzunehmen. Etwas in ihrem Blick brachte ihn auf die Vermutung, daß sie vorhatte, jetzt gleich shoppen zu gehen.
    »Natürlich«, sagte sie. »Und ich halte mich genau an die Dosierung, die Sie angegeben haben. Ein bis zwei Tabletten bei Bedarf. Da nehme ich zwei auf einmal, das wirkt am besten.«
    Er starrte sie an. Lange. War sich bewußt, daß er in diesem Moment seinem Vater glich. Wenn Gordon Brenner diesen müden, etwas verärgerten Gesichtsausdruck bekam.
    »Sie haben da offenbar etwas mißverstanden«, sagte er so ruhig er konnte. »Sie wollten ein Mittel für die Nacht. Sie können das nicht auch tagsüber anwenden. Wann soll denn das Kind wach sein? Wann? Zum Kinderfernsehen, was? Haben Sie schon einmal vom Madeleine-Fall gehört?«
    Er merkte, wie ein Wort das andere gab. Er hatte vorgehabt, den forschen, fast spaßenden Ton beizubehalten. Deshalb überraschte es ihn, wie schnell er die Kontrolle über seine Stimme verlor. Plötzlich ein cholerischer Klang. Da fiel vor ihrem Gesicht sozusagen eine Klappe herunter. Sie starrte ihn wie aus weiter Entfernung an. Ah, dachte er, Mütter in ihrem Stadium ertragen keine Zurechtweisungen. In diesem Zustand entzweien sie sich gewöhnlich mit den Schwiegermüttern.
    »Der Madeleine-Fall«, wiederholte sie. »Wollen Sie mir etwa unterstellen …?« Ihre Stimme zitterte.
    In Sekundenbruchteilen war die Stimmung im Raum giftig geworden. Er konnte sich nicht erinnern, jemals einen so abrupten Stimmungsumschwung erlebt zu haben. Dabei war er überzeugt, recht zu haben, fachlich abgesichert zu sein.
    »Ihrem Kind ein Schlafmittel zu verabreichen, um es allein lassen zu können?« Ihm wurde einen Moment schwarz vor Augen. »Das hätte ich wohl Ihrer Meinung nach mit auf das Rezept schreiben sollen? Einnehmen, wenn die Mutter ihr Kind verlassen will? «
    »Ich verbitte mir …«
    »Gar nichts, junge Frau. Ich bin es, der sich verbittet, ein Rezept zu mißbrauchen. Für einen derartigen Mißbrauch kommen Ärzte wie ich in die Schlagzeilen. Da fehlt nicht viel bis zur Überdosis, wenn es sich um Säuglinge handelt, die noch kein Jahr alt sind, und was Sie Ihrer Kleinen gegeben haben, ist eine Überdosis. Ich werde das Rezept zurückziehen müssen.«
    »Für die Pille?« Sie schaute ihn erschrocken an.
    »Nein, für das Schlafmittel.«
    »Diese Freiheit werden Sie mir nicht nehmen!« Sie war jetzt wütend. Das brachte ihn noch mehr in Rage. So eine glattgeschminkte, eingebildete Westendmöse, wie es Janken Vigernes ausgedrückt hätte. Thomas Brenner versteckte sich immer hinter seinem Kollegen, wenn er auf diese derbe Art dachte oder redete.
    »Freiheit wozu?« rief er. Jetzt hörte er sich auch noch an wie sein Vater. Aber das war ihm egal. »Die Freiheit, mit seinem Mann Verkehr zu haben, der sich zu allem Überfluß eine Geschlechtskrankheit eingefangen hat?«
    Er sah zu seiner Zufriedenheit, wie sie zusammenzuckte.
    »Was reden Sie da?« sagte sie. »Sie haben kein Recht …«
    »Sie haben es herausgefordert«, sagte Thomas

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