Die Unvergänglichen: Thriller (German Edition)
gibt, das ganz sicher nicht ›mikro‹ ist, dann ist das ein gottverdammter Alligator.«
Er stieß frustriert den Atem aus und ärgerte sich darüber, dass er sie so angefahren hatte. All das war definitiv nicht ihre Schuld. »Entschuldige, Carly. Ich glaube, das Wasser ist hier viel zu salzig für sie.«
»Du glaubst es?«
»Mehr kann ich dir nicht bieten. Aber sieh’s doch von der positiven Seite: Bei unserem Glück werden uns die Schlangen vorher erwischen.«
»Das ist Blödsinn«, sagte Richard, packte den Arm seiner Frau und brachte sie so zum Stillstand. »Wir drehen uns im Kreis.«
Sie wanderten jetzt seit einer Stunde im Sumpf herum und versuchten, sich in dem schwachen Mondlicht, das durch das Blätterdach drang, zurechtzufinden. Inzwischen wussten sie schon nicht mehr, wo sie sich in Bezug auf die Küste aufhielten, wie weit sie gekommen waren und wonach sie überhaupt suchten. Aber zumindest waren sie noch unverletzt. Bisher war das größte Reptil, das sie entdeckt hatten, gerade mal dreißig Zentimeter lang gewesen.
»Aufgeben steht zu diesem Zeitpunkt allerdings völlig außer Frage«, erwiderte Carly. »Ich habe nicht vor, hier Wurzeln zu schlagen …«
»Ja, schon klar. Aber das hier bringt uns nirgendwohin. Denk an Burts Worte: Wir müssen vor allem nachdenken. Und genau das tun wir gerade nicht.«
»Wir müssen zurück zu Susie«, entgegnete sie und klang zunehmend verzweifelter. »Ich muss wissen, ob es ihr gut geht.«
Er wusste nur zu gut, wie sie sich fühlte. Er war todmüde, verängstigt und davon überzeugt, dass sie beide von Blutegeln übersät waren – was seine Frau zum Glück noch nicht mitbekommen hatte. Am schlimmsten waren jedoch die Gedanken an Susie und die Ungewissheit.
»Beruhige dich, Carly. Sie ist bei Burt, und ich bin das im Kopf schon einhundert Mal durchgegangen. Sie können sie bei ihm unmöglich aufspüren. Dazu müssten sie schon jeden Menschen überprüfen, den ich jemals gekannt habe.«
»Das weißt du nicht, Richard. Jemand könnte den Truck gesehen haben. Sie könnten …«
Er hielt ihr mit einer Hand den Mund zu und legte den Kopf schräg, weil er etwas gehört hatte, dass die Geräusche im Sumpf gerade so übertönte. »Pst. Was ist das?«
»Ich kann nichts hören …«
Sie schwieg, als das periodische Klopfen lauter wurde. Es war zu rhythmisch und zu tief, um natürlichen Ursprungs zu sein.
»Warte«, meinte sie dann aufgeregt. »Jetzt hör ich es auch. Ist das … Ist das Musik?«
Sie mussten noch eine weitere schreckliche halbe Stunde lang um Wurzeln herumgehen und über winzige Flecken trockener Erde taumeln, manchmal in so dunklen Gebieten, dass sie sich nur auf ihren Tastsinn verlassen konnten. Doch sie hörten wirklich Musik. Es war eine Scheibe von Grateful Dead, die er selbst seit Collegezeiten besaß.
Als sie näher kamen, konnten sie sich schneller bewegen. Sie folgten dem flackernden Licht eines Lagerfeuers und gelangten zu einem Kanu, das an einer winzigen Insel mit einem Durchmesser von vielleicht fünfzehn Metern angebunden war. An der höchsten Stelle der Insel saßen zwei Menschen in Liegestühlen – ein Mann und eine Frau, die in die Flammen starrten und sich einen gewaltigen Joint teilten. Sie sahen beide aus, als wären sie Anfang zwanzig, hatten Dreadlocks und nackte Füße, die aus ihren schmutzigen Jeans herausragten.
Richard kletterte auf die Landzunge, blickte an sich hinunter und sprach innerlich ein Dankgebet, als er erkannte, dass er sich die Blutegel nur eingebildet hatte.
»Hallo!«
Die Frau erschrak, starrte ihn mit geweiteten Augen an und versuchte, den Joint hinter ihrem Rücken zu verstecken.
»Wer sind sie?«, wollte ihr Begleiter wissen, der im Stehen eine beeindruckende Größe aufwies, dank seines »Winnie the Pooh«-T-Shirts allerdings nicht sehr bedrohlich wirkte.
»Die Polizei«, antwortete Richard und nutzte die gute Gelegenheit, die sich ihm dank des Marihuanas bot.
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, erwiderte der junge Mann, als Carly gerade aus dem Wasser stieg. »Die lassen Sie die ganze Nacht im Sumpf herumwaten, um Leute aufzuspüren, die illegal campen? Was haben Sie gemacht, die Tochter Ihres Bosses gefickt, damit Sie …«
»Eigentlich sind wir beim Rauschgiftdezernat.«
Die Augen der jungen Frau weiteten sich sogar noch mehr, und sie begann, mit dem hinter dem Rücken versteckten Joint langsam rückwärtszugehen.
»Ach, kommen Sie, Mann. Das ist nur ein bisschen Gras. Ich bin
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