Die Unvergänglichen: Thriller (German Edition)
einen Augenblick lang über die steile Treppe, die bewaffneten Wachleute, die an strategischen Positionen in der endlosen Landschaft platziert waren, und die Dunkelheit, die er immer mehr fürchtete, nach.
Der Wind hatte seinen Hubschrauber den ganzen Weg bis in diesen entlegenen Winkel von Kanada durchgeschüttelt, drang durch seine dicke Jacke und schien direkt durch ihn hindurchzuwehen.
Es war nicht immer so gewesen. Er hatte im Alter von vierzehn angefangen zu arbeiten und Eis mit einem Pferdegespann ausgeliefert. Damals hatte ihm nichts etwas anhaben können,nicht die Kälte, nicht die anstrengende Arbeit und auch nicht die Sechzehnstundenschichten.
Jetzt war er der Gnade anderer ausgeliefert – ein kurzer Angstanfall, der vorübergehende Gleichgewichtsverlust oder ein unbedeutender Essensrest, der ihm in der Kehle stecken blieb, konnten alles beenden. Alles, was er sich im Verlauf von fast einem Jahrhundert aufgebaut hatte, alles, wozu er geworden war, entglitt ihm und ging an eine Generation aus Männern – und jetzt sogar Frauen – über, die nicht einmal ein paar Stunden seiner Kindheit ertragen würden. Sie waren nichts als privilegierte Narren, denen alles auf dem Silbertablett serviert wurde.
»Verschwinden Sie«, sagte er, als seine Männer den Rollstuhl vor der offenstehenden Eingangstür des Hauses abgesetzt hatten. Er lauschte, wie sie sich entfernten, während sich seine Augen an das Leuchten anpassten, das aus dem Haus drang. Es war ein nach seinen Standards eher bescheidenes Haus mit knapp sechshundert Quadratmetern Wohnfläche aus Holz und Stein, umgeben von vierhundert Hektar sorgsam umzäuntem Pinienwald.
Er hatte eine Armee von penibel arbeitenden Finanzsachverständigen eingesetzt, die auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert waren. Letzten Endes fanden sie eine kleine Nachlässigkeit bei einem Banktransfer eines der reichen Männer, die im letzten Jahrzehnt verschwunden waren. Und die Enthüllung dieses augenscheinlich unbedeutenden Fehlers hatte ihn an diesen Ort geführt.
Xander bewegte seinen Rollstuhl mit behandschuhten Händen durch die Tür, bis er die Wärme auf seiner Haut spürte, zog es jedoch vor, nicht weiter hineinzufahren.
»Andreas!«, rief Bill Garrison und eilte auf ihn zu. »Ich hoffe, Ihre Anreise war nicht allzu beschwerlich!«
»Was haben Sie gefunden?«, erkundigte sich Xander, der nicht an Small Talk interessiert war. Er hatte keine Zeit dafür.
»Soweit wir wissen, wurde das Haus vor einigen Wochen aufgegeben. Es ist für sie viel leichter, Verbindungen zu kappen, als für uns, diese aufzuspüren.«
Die objektive, geschäftsmäßige Art, die Xander an Garrison immer geschätzt hatte, machte ihn jetzt wütend. Er war der Einzige neben den Dramans, der wusste, was auf dem Spiel stand, und doch ging er genauso vor wie bei jeder anderen Untersuchung – für ihn war es nichts als ein weiterer Job, um die Hypothek auf seinem Haus am Stadtrand abzubezahlen und die Nachhilfe für seine Kinder zu finanzieren, die aufs College gingen, um nicht arbeiten zu müssen.
Er war noch jung genug, um seine Sterblichkeit in weiter Ferne zu wähnen, und es würde noch Jahre dauern, bis er begriff, worum es hier ging. Wie es war, von innen heraus zu verrotten.
»Wir haben mit den Leuten in den umliegenden Städten gesprochen und eine Frau aufgespürt, die vor einigen Jahren hier gearbeitet hat. Sie sagte, das Haus hätte einem unverheirateten Mann Mitte dreißig gehört. Wir haben ihr die Bilder der Männer gezeigt, die wir digital bearbeitet haben, damit sie das entsprechende Alter widerspiegeln, und sie hat einen davon vorläufig identifiziert.«
»Vorläufig?«
»Die Computeralgorithmen sind nicht perfekt, aber wir glauben, dass er es ist.«
»Und was jetzt?«, wollte Xander wissen und versuchte, die in ihm aufsteigende Hoffnungslosigkeit zu unterdrücken, die er glaubte, abgeschüttelt zu haben, nachdem er Richard Draman kennengelernt hatte. »Was haben wir davon?«
»Vermutlich nichts«, gab Garrison zu. »Diese Leute haben ihre Fähigkeit zu verschwinden schon seit langer Zeit perfektioniert und sind verdammt gut darin.«
»Dann ist das nichts als eine weitere Sackgasse?«
Es war auch nicht mehr so befreiend wie früher, seinem Zorn freien Lauf zu lassen, sondern diente eher dazu, seine Erschöpfung und seine Angst zu überspielen. »Wir können es uns nicht leisten, immer einen Schritt hinter diesen Leuten herzuhinken, Bill.«
»Ich weiß nicht, was
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