Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
dir.«
»Wenn ich spüre, daß es mir schadet, höre ich auf. Nina hat recht: Gewohnheiten muß man annehmen und wieder ablegen, ganz wie es kommt. Na gut, ich sehe, daß du nicht abläßt. ›Die Ehefrau ließ nicht ab.‹ Ihr Anwälte habt wirklich eine lustige Sprache. Wenn man bedenkt, wie schnell du dein Examen gemacht hast.«
»Irgend etwas mußte ich ja machen.«
»Und du bist stolz und froh über deinen Beruf. Das sieht man. Das ist das Schöne am Leben. Die besten Dinge erwarten dich im dunkelsten Winkel, in den du nie hineingeschaut hast. Also, Sohn, kann ich nun dieses Bad nehmen, ja oder nein?«
»Ich lasse dich nicht weg, Mama.«
»Also gut, dann gehen wir hinein … Oh, schau, Mattia ist zurück! Komm schon, laß meinen Arm los, ich werde ihn doch wohl begrüßen dürfen, oder? Mattia, da bist du ja endlich! Seit einem Jahr haben wir uns nicht gesehen, umarme mich, Alter! Dieses schlimme Wort macht dir zu schaffen, wie? Wer hätte gedacht, daß wir zusammen alt werden würden.«
»Ich habe es gedacht, Mody. Hallo, Prando. Stimmt es, daß du bei uns bleibst, Mody? Nina hat es mir gesagt, und ich bin unsäglich froh darüber. Stimmt es?«
»Sicher! Und du hast deine Reisen abgeschlossen?«
»Ja, es ist alles geregelt, ich habe die blockierten Häuser verkauft … Bambú hat recht: wenig Erlös, aber dafür flüssige Mittel für Saatgut, Vieh und Maschinen, lieber das bißchen Land stärken, das wir haben. Ich habe ein wenig gezögert wegen der Mädchen. Aber Bambú hat recht. Sie werden ihr eigenes Leben führen. Glücklicherweise hat sich wenigstens das geändert, zwei Mädchen bringen nicht mehr automatisch die Sorgen von einst mit sich.«
»Wenigstens das, Mattia! … Wie angenehm es im Schatten ist. Diese Glyzinie hat Beatrice pflanzen lassen. Der Maurermeister wollte erst nicht, er meinte, ihre Triebe seien gefräßig wie Tiere und würden mit der Zeit die Mauern der Terrasse und das Haus verschlingen, aber Beatrice wiederholte nur: ›Das Haus wird uns trotzdem überleben, und ich möchte eine Pflanze, die im Winter den Blick freigibt wie ein Theatervorhang und im SommerSchatten spendet, violett-grünen Schatten.‹ Ihr werdet es nicht glauben, aber Beatrice hatte im Sommer violette Augen … Danke, Nina, mittlerweile bereitest du den Tee ebenso gut wie Beatrice.«
»Tja, wenn man immer mit euch Reichen zu tun hat, wird man genauso vornehm und degeneriert. Aber wie süß diese Degeneration doch ist!«
»Und wie kommt es, daß du noch hier bist? Ich dachte, du wolltest schon gestern in den Laden fahren.«
»Heute ist Sonntag, Mody! Menschenskinder, man merkt, daß du niemals gearbeitet hast!«
»Stimmt, aber du wirst es mir schon noch beibringen, nicht wahr, Nina?«
»Was denn beibringen, Mama? Mir reicht es allmählich, darf man endlich mal erfahren, was ihr vorhabt?«
»Was meinst du, Mody, sollen wir es ihm sagen? Deine Mutter macht ein Geschäft auf, direkt neben meinem, und da sie sich besser mit Büchern als mit Wolle auskennt, wird es ein Buchladen werden.«
»Ich möchte eine Buchhandlung eröffnen, die gleichzeitig als Treffpunkt dient, wie die in Rom auf der Via Veneto. Wenige, ausgewählte Bücher und jemand, den man um Rat fragen kann, so hat meine ganze Leserei wenigstens einen Sinn.«
»Du, hinter einer Ladentheke? Das ist doch verrückt!«
»Was ist schon dabei, Prando? Ich habe es ja gleich gesagt, Nina, wir hätten ihm lieber nichts sagen sollen.«
»Du, eine Brandiforti, als Verkäuferin?«
»Weißt du, Mattia, manchmal habe ich wirklich gute Lust, eigenhändig die häusliche Revolution anzuzetteln und diesem Jungen gehörig die Meinung zu geigen.«
»Laß gut sein, Prando, laß deine Mutter in Ruhe. Sie weiß schon, was sie tut.«
»Ihr haltet ja immer zusammen! Warum willst du das tun? Ich verdiene, Bambolina ist reich. Von dem Erlös …«
»Nein, Prando! Der Erlös der Villa wurde bereits in Bücher und in den kleinen Laden investiert.«
»Wo willst du wohnen?«
»Ich habe den Bruno eine Abfindung gezahlt und werde über dem Geschäft wohnen.«
»In diesem Rattenloch? In diesem verrufenen Viertel? Das ist doch verrückt!«
»Nina wohnt doch auch dort, oder? Und wenn sie da wohnt …«
»Nina, Nina! Das werde ich niemals zulassen! Ich werde niemals zulassen, daß du hinter einer Ladentheke stehst.«
»Ich muß mir meinen Lebensunterhalt verdienen, und zwar auf möglichst unschädliche Art und Weise. Grob geschätzt, stehen uns rund zwanzig Jahre
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