Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
ihre Gefährten herbeigerufen hat?«
    Manchmal konnte Emily Dinge sagen, die wirklich beunruhigend waren. Was immer sich außer uns noch in diesem Zug befand, hatte das Rudel alarmiert. Zweifelsohne. Und nun schwieg es. Versteckte sich womöglich irgendwo und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
    »Lassen Sie uns nach vorn gehen«, schlug ich vor.
    Das war das einzig Sinnvolle im Moment.
    Wortlos folgte mir Emily durch das verwüstete Abteil, und wir erreichten ohne Zwischenfälle den nächsten Wagen, dessen Anblick aber nicht weniger schrecklich war.
    »Es ist auf dem Dach, direkt über uns«, flüsterte Emily mit einem Mal.
    Wachsam sahen wir beide nach oben.
    Ja, da waren leise Tritte zu hören.
    Geräusche von etwas, das versuchte kein Geräusch zu machen.
    Es war also auf das Zugdach gekrochen.
    »Wir müssen vorsichtig sein.«
    Emily lag es fern, dem zu widersprechen.
    Plötzlich wurde die Verbindungsür vor uns aufgerissen.
    »Sie sind überall gewesen!«
    Die Stimme des Mannes in der zerschlissenen Uniform eines Zugführers aus den 30er-Jahren zerschnitt die schwülwarme Luft.
    »Sie kommen wieder«, schrie er laut, und der Wahnsinn brach sich in seiner Stimme wie Mondlicht in den Augen eines nächtlichen Wanderers.
    »Sie sind da!«
    Emily und mich schien er nicht einmal zu bemerken. Er rannte einfach an uns vorbei, öffnete eine Tür und war draußen auf dem Bahnsteig, bevor wir ihn auch nur warnen konnten.
    »Das«, stellte ich fest, »war wohl der Zugführer«, und schloss schnell die Tür hinter dem Mann, der offensichtlich beim Anblick dessen, was hier geschehen war, Beherrschung und Verstand verloren hatte.
    Nur sehr undeutlich konnten wir durch das blutverschmierte Fensterglas erkennen, wie der Mann mit der Mütze draußen auf dem Bahnsteig durch die Pfützen lief, offenbar verwirrt und unschlüssig, welche Richtung denn einzuschlagen sei.
    Gerade wollte Emily etwas sagen, als die Kreatur, die tatsächlich oben auf dem Dach des Zuges gelauert hatte, den Zugführer ansprang und ihm ohne Vorwarnung mitten ins Gesicht biss.
    Ein lang gezogenes Heulen aus vielen Kehlen erfüllte plötzlich den Bahnhof.
    Für einen kurzen Moment nur traten wir ans Fenster.
    Die zerrissene Jeansjacke, die der Kreatur in Fetzen vom Körper hing, und die langen, von Fett und Blut glänzenden verfilzten Haare ließen nur vermuten, dass dies einmal ein normaler Teenager gewesen war. Ein Paar geröteter Augen blitzte uns boshaft an. Auf dem Kopf trug er etwas, das wie ein Hundeschädel aussah. Mit spitzen Ohren und einer Schnauze, aus der eine leblose Zunge baumelte.
    Instinktiv traten wir vom Fenster zurück.
    Die Kreatur, die uns bemerkt hatte, stieß einen markerschütternden Schrei aus, der von den Stimmen des Rudels beantwortet wurde.
    Mit Entsetzen registrierte Emily, dass der Zugführer noch lebte. Die Kreatur hatte ihm die Nase abgebissen, und Emily erkannte die Verwirrung in den weit aufgerissenen Augen des Mannes, dessen eine Hand fest auf die Wunde gepresst war, während die andere Hand versuchte, die Kreatur auf Abstand zu halten.
    Noch bevor der Mann richtig verstand, was passierte, sprang die Kreatur ihn erneut an und riss ihn zu Boden.
    Die Schreie des Mannes verstummten, als habe man sie mit einer spitzen Schere abgeschnitten.
    »Wir sollten hier verschwinden«, schlug ich vor.
    Wogegen Emily nichts einzuwenden hatte.
    Ein Meer aus schwarzen Leibern ergoss sich mit einem Mal aus dem Tunnel. Sie sprangen auf den Bahnsteig und warfen sich gegen den Zug und kletterten auf das Dach hinauf, wo ihre Tatzen einen schaurigen Trommelwirbel hervorriefen. Nur schemenhaft wurden wir der entstellten Fratzen der halb nackten Kreaturen gewahr, die durch die Fenster ins Innere des Zuges zu sehen versuchten.
    »Laufen Sie!«, forderte ich Emily auf.
    Ins Führerhaus mussten wir gelangen.
    Von dort aus würden wir den Zug in Gang setzen können.
    Und mit etwas Glück doch noch nach Brick Lane Market gelangen.
    Unbeirrt drangen wir weiter nach vorn vor, durchquerten ein verwüstetes Abteil nach dem anderen, wichen Blutlachen aus und warfen besorgte Blicke zu den Fenstern und dem, was sich dahinter zusammenrottete.
    Dann endlich erreichten wir das Führerhaus.
    Die Tür stand offen.
    Und die Technik schien unbeschädigt zu sein.
    »Da blinkt aber etwas«, wies mich Emily auf die Kontrolllampe hin, die unruhig inmitten des unübersichtlichen Armaturenbretts flackerte.
    »Verdammt«, fluchte ich.
    »Was bedeutet die

Weitere Kostenlose Bücher