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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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mesopotamischen Ursprungs.«
    Carter runzelte skeptisch die Stirn.
    »Ja«, schloss sich auch Tom meiner Vermutung an. »Vathek könnte ein Name aus dem Zweistromland sein.« Tom grübelte und sagte dann: »Gab es nicht Handelsbeziehungen zwischen Babylon und El-Amarna?«
    »Aber weshalb«, dachte ich weiter, »sollte ein ägyptischer Priester gemeinsam mit einem mesopotamischen Edelmann beigesetzt worden sein?«
    »Falls er ein Edelmann war.«
    Howard Carter rückte die runde Brille auf seiner Nase zurecht, kratzte sich am Kopf und sagte: »Vielleicht weiß Professor Maspero in Kairo jemanden, der uns in dieser Angelegenheit weiterhelfen kann.«
    So kam es, dass Tom und ich, während Carter im Tal der Könige über den Fund wachte, das nächste Boot in Richtung Kairo bestiegen, um uns am Mittag des folgenden Tages in Gaston Masperos Büro einzufinden und ihm vom aktuellen Stand der Grabung Bericht zu erstatten.
    Während sich das kleine Segelboot mit dem klangvollen Namen »Osorkons I
.
« langsam nilabwärts bewegte, dachte ich an die Gesichter der verängstigten Arbeiter im Expeditionslager am Grab KV55 und erinnerte mich der Geschichten meiner englischen Heimat: an alte mürrische Schlossgespenster, weiß gekleidete Frauen, magische Schwerter, hungrige Werwölfe, zum Leben erweckte Leichen und wilde Hexen. Die Menschen liebten es zu allen Zeiten, sich leichtgläubig diesen Hirngespinsten hinzugeben. Im Alter von zehn Jahren folgte ich Tom auf einer seiner Expeditionen in die Welt des Übersinnlichen. Wir verbrachten die Nacht zum Yuletide, einem alten keltischen Feiertag, heimlich inmitten des Steinkreises von Stonehenge und erwarteten die Seelen der Verstorbenen unter dem vollen Mond tanzen und klagen zu sehen. Der Ausflug endete mit einer starken Erkältung, die mich zwei Wochen ans Bett fesselte, und einer Strafpredigt unseres Vaters. So viel zu Gespenstern, toten Seelen und traditionellem Aberglauben.
    Dennoch hatten wir den Aberglauben der Einheimischen zu respektieren. Wie unvernünftig ihr Handeln auch immer sein mochte, es behinderte unsere Arbeit. Die Entdeckung der neuen Grabkammer hatte erneut Panik in den verbliebenen Arbeitern aufkommen lassen. Carter und Ahmed hatten mit vereinten Überredungskünsten das Schlimmste verhindern können, und die Arbeiter waren, wenngleich mürrisch und eingeschüchtert, nach einer ihnen zugesicherten Lohnerhöhung zu bleiben bereit gewesen.
    Diesen Gedanken nachhängend, beobachtete ich Tom, wie er eifrig in sein Notizbuch kritzelte, was mich an das Versprechen meinem Verlobten gegenüber erinnerte, ihm so häufig wie nur möglich von den Erlebnissen in Ägypten zu berichten. Trotz dieses Gedankens schien Arthur einer anderen Welt anzugehören. Ich konnte und wollte ihm zu diesem Zeitpunkt keinen Brief schreiben. Als wir Gizeh passierten und mein Blick auf die großen Pyramiden fiel, da spürte ich erneut jene Unruhe, die alle Gedanken an England und mein dortiges Leben zu nichtigem Tand degradierte.
    Kairo empfing uns in der prallen Mittagshitze des nächsten Tages, eine in lehm- und sandfarbenen Gebäuden glühende Metropole, mit feilschenden Händlern an jeder Ecke, die Massen einheimischer Passanten durchsetzt von Europäern in heller Kleidung. Das Museum für Altertum befand sich am Rande der Stadt und war umgeben von Palmen.
    »Smenkh-ka-Re war ein Hohepriester der Amarna-Periode«, erklärte uns Professor Maspero, ein hagerer Mann Ende fünfzig mit grauem Haar und stechend blauen Augen. »Der Pharao, in diesem Fall der Bruder des Priesters, Tut-ankh-Amen, war die Inkarnation des Gottes Amun. Die Ägypter beteten eine Vielzahl von Göttern an und waren daher nicht intolerant gegenüber fremden Gottheiten.«
    Gaston Maspero hatte uns freundlich begrüßt, und nachdem wir einige Erinnerungen an Oxford ausgetauscht hatten, kam er schnell zur Sache, da er, wie er selbst bekundete, eine Schiffsladung altägyptischer Funde in Alexandria erwartete (die Relikte, vom Entdecker an das New Yorker Metropolitan Museum verkauft, fanden nun, nach mühevollen Verhandlungen über den Preis der Ware, den Weg zurück in ihre Heimat) und die Zeit, die er uns zur Verfügung stellen konnte, nur begrenzter Natur war.
    Während Maspero seine Ladung inspizierte, schlenderten wir durch das Museum und trafen auf zwei Landsleute, die Zeitung lesend in einer schattigen Ecke saßen und Wasserpfeife rauchten, was eine für Engländer höchst ungewöhnliche Beschäftigung war.
    In aller Form

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