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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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eine Krankheit sind. Etwas mehr oder weniger Natürliches, das sich in unsere Stadt verirrt hat. Nach dem Vorfall bei der Waterloo Bridge und nach einigen langen Gesprächen mit den Kollegen des North Healing haben wir dann umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Wir haben sogar Wachen oben auf den Zinnen postiert, von wo aus man das gesamte Moor überblicken kann. Hätte sich eine Nebelwand genähert, so wären wir gewarnt gewesen.«
    »Aber?«
    Er sah dem Mädchen seine Ungeduld nach. »Jemand, der die Nebel in sich getragen hat, ist ins Sanatorium gelangt und hat Ihre Mutter mit den Nebeln infiziert.«
    »Sind denn nicht alle, die mit den Nebeln in Kontakt kamen, in tiefen Schlaf gesunken?« Emily rief sich die geflüsterten Bemerkungen ins Gedächtnis, die sie im Raritätenladen und den Straßen aufgeschnappt hatte.
    »Das ist es, was man sich erzählt, nicht wahr?« Der Doktor kaute an einem Bleistift herum. »Doch bedenken Sie, dass das, was man sich erzählt, nur selten das ist, worauf man sich verlassen kann.« Er wirkte nachdenklich. Schweigsam. Erklärte aber dann: »Ein Botenjunge aus East Putney überbrachte uns am späten Nachmittag ein Päckchen mit Opiaten, die unsere Anästhesie benötigte.« Die Lippen verzogen sich zu einer unbestimmten Miene, von der man halten konnte, was man wollte. »Wie wir nunmehr wissen, war es eben dieser Junge, der die Nebel nach Moorgate brachte.« Er erhob sich von seinem Platz, ging zu einem der Spiegel und sah hinein. »Jene Menschen, die das Pech haben, die Nebel einzuatmen, haben keinen eigenen Willen mehr. Das ist das Einzige, dessen wir uns jetzt sicher sein können. Nach allem, was geschehen ist.«
    »Sie meinen, sie werden zu Marionetten?«
    »Trefflich ausgedrückt, Wittgenstein.«
    »Und Mia Manderley?«
    »Der Botenjunge hat die Nebel in sich getragen, und diese Nebel konnte man nicht einmal in den Augen des Opfers erkennen.« Konnte es sein, fragte sich Emily mit einem Mal, dass Dr. Dariusz wirklich beunruhigt war? »Unsere Schutzmaßnahmen beschränkten sich, wie bereits erwähnt, darauf, die Nebel zu orten, um sie abwehren zu können und die Patienten vor ihnen zu schützen. Nicht jedoch darauf, Personen, die sich wie normale Menschen verhielten, vorsorglich zu untersuchen.« Er wandte sich uns zu, und die hellen Augen waren wie Seen, deren Grund in milchiger Tiefe liegt. »Die Nebel«, führte er aus, »sind lebendig.«
    Jetzt war es ausgesprochen.
    »Sie meinen, die Nebel haben sich des Jungen bedient?«
    »Ja, Miss Laing, genau das ist es, was ich vermute. Die Nebel sind mit Hilfe des Botenjungen nach Moorgate gekommen und haben sich, nachdem dieser die Opiate in der Anästhesie abgegeben hatte, in den Nordturm geschlichen.« Besser gesagt, der Botenjunge hatte sich heimlich in den Nordturm geschlichen und die Nebel weiterhin versteckt in sich getragen.
    »Sie meinen, er hat meine Mutter gesucht?« Emily wusste nicht einmal, ob sie mit »er« den Botenjungen oder den Nebel meinte.
    »Ja.«
    »Dann war es also … geplant gewesen?«
    »Wir sollten, denke ich, noch keine voreiligen Schlüsse ziehen.« Die Leere und Traurigkeit in den weißen Augen erschreckten Emily, weil das, was sie sah, genau das war, was sie fühlte. »Der Pfleger, der im Nordturm Dienst tat, wurde erst auf den Plan gerufen, als Ihre Mutter zu schreien begonnen hatte, was wir, das gebe ich zu, zuerst für einen weiteren Anfall hielten.«
    Emily kannte diese Schreie.
    Würde sie noch lange im Schlaf hören.
    »Der Pfleger ist zur Zelle Ihrer Mutter geeilt, und gleichzeitig hat man den diensthabenden Arzt herbeigerufen.« Emily wusste, dass dies die normale Vorgehensweise im Sanatorium war. Schon viele Male hatte sie einen Anfall ihrer Mutter miterleben müssen. Immer war ein Arzt gekommen, der Beruhigungsmittel in den wild zuckenden Körper injiziert hatte, bis wieder Stille eingekehrt und ihre Mutter eingeschlafen war. »Doch dann geschah etwas Seltsames.«
    »Nun sagen Sie es schon!«, drängelte Emily.
    »Alle Bediensteten des Sanatoriums haben seit nunmehr zwei Wochen schon die strikte Anweisung, auch nur beim geringsten Verdacht, dass Nebel einen Patienten befallen haben könnte, die Quarantäne-Regelungen in Kraft treten zu lassen.« Was, auf den Punkt gebracht, bedeutete, dass die schweren Eisentüren, welche die einzelnen Abteilungen voneinander abtrennen können, fest verschlossen wurden. »Leider, das muss ich eingestehen, unterliefen uns bei dieser Prozedur einige

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