Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia
in die Hölle kommen. Sollte Mr. Morpheus Ihnen bis zum Eingang folgen. Lord Somnia würde glauben, dass wir alle hier auf ihn warten. Dass wir uns verstecken,
im neunten Kreis der Hölle, jenseits von Pandaemonium.« Er ging auf und ab, rastlos wie ein Panther im Käfig. »Doch das zu glauben wird ein Fehler sein.« Er lachte auf. »In eben diesem Moment rüsten wir zur großen Schlacht.«
Lilith sagte: »Der Angriff wird bald schon erfolgen.«
»Ihr Vater ist schon dort, bei Lord Uriel.«
»Wo ist das?«
»An diesem Ort, nur woanders.«
Scarlet wusste nicht, wovon er redete.
»Warum tut er das?«
»Ihr Vater?«
»Lord Uriel stand ihm einst bei. Jetzt war es an ihm, umgekehrt seine Hilfe anzubieten.«
Lucifer bewegte sich auf den Ausgang des Palm Court zu. »Folgen Sie mir«, bat er uns und öffnete eine Tür, die den Blick auf ein Marmortreppenhaus freigab. Wir folgten dem Lichtlord die Treppen hinauf, schritten durch lange Korridore, die sich durch nichts außer den Zimmernummern voneinander unterschieden. Es war ein Labyrinth.
»Hinter jeder dieser Türen«, erklärte Lucifer, »schlafen Engel.«
Er trat auf eine zu.
Seine langen Finger schlossen sich um den Türknauf.
Er öffnete sie.
Scarlet warf vorsichtig einen Blick hinein.
In dem Zimmer befanden sich drei Kokons, silbrig filigrane Dinger, Körben aus Licht ähnlich. In ihnen schliefen die Engel, jeder in seinem Kokon. Sie hatten die Körper gekrümmt, und die mächtigen Schwingen waren um die Körper gelegt, als umarmten sie sich selbst. Sie atmeten ruhig, leise, und ihre Augen waren weit geöffnet, doch die Pupillen
bewegten sich nicht. Es schimmerte keine Ewigkeit in ihnen, kein Feuer glomm mehr dort, wo normalerweise Flammen wüteten. Die Tätowierungen auf ihren Gesichtern waren leblos, ruhten.
»Sie sind schon alle bei Lord Uriel im Traumreich«, sagte Lucifer. »Sie rüsten sich zur großen Schlacht.«
»Wir werden ihn vernichten, den Träumer«, sagte Lilith, die uns gefolgt war.
»Sie können Ihren Vater ohne Gefahr treffen. Der Fluch des Shah-Saz hat in den Traumgefilden keine Wirkung. In den Träumen sind wir frei. Losgelöst von den Beschränkungen, die uns das Leben diktiert.« Lucifer streckte seine Hand aus. »Das ist es, was ich Ihnen anbiete.« Es war wieder die Stimme des Verführers, die zu uns sprach. »Sie können mit uns dorthin gehen und zusehen, wie die letzte Schlacht geschlagen wird. Sie werden Ihren Vater treffen. Zugegeben, Mortimer Wittgenstein wird nicht wenig überrascht sein, wenn er seine Tochter trifft.« Zum ersten Mal lächelten die dunklen Augen ihr zu, und Scarlet fragte sich, ob er die Wahrheit sprach.
Lucifer wartete.
Auf die Antwort.
Scarlet ging auf und ab. Sollte sie das wirklich tun?
Sie wusste es nicht.
Ratlos sah sie mich an. Doch dies war eine Entscheidung, die sie selbst zu treffen hatte.
»Ich werde Sie begleiten«, versprach ich ihr. »Komme, was wolle.«
Sie nickte nur, dankend.
»Wir versetzen Sie beide in tiefen Schlaf«, sagte Lilith. »Und auf der anderen Seite sehen wir uns wieder.« Sie kam
auf Scarlet zu und berührte das Amulett, das sie am Hals trug. »Manchmal«, flüsterte sie, »geschehen schlimme Dinge. Jemand, den man liebt, stirbt. Völlig unerwartet.« Sie wirkte nachdenklich, als sei sie für den Hauch eines Augenblicks jemand anders. »Es wird vorübergehen.« Die hellen Augen waren die Wasser, in denen Scarlet einst mit Keanu geschwommen war. Fast war ihr, als könne sie ihn und sich selbst darin erkennen, tief unter der schimmernden Oberfläche, die Versprechungen flüsterte. »Kommen Sie mit uns, und sehen Sie, wer Ihr Vater ist. Es wird Ihnen kein Leid geschehen.«
Scarlet wusste nicht, ob sie ihnen vertrauen konnte.
»Mistress Atwood muss mitkommen«, sagte sie.
Lilith nickte zustimmend.
»Wir tun es«, sagte Scarlet schließlich.
Lucifer kam ihr ganz nah. »Wir treffen uns wieder in dem Traum, in dem alles ein Ende finden wird«, sagte er. Dann küsste er Scarlet, und mit dem Kuss kam der Schlaf, so tief und fest, wie er niemals zuvor gewesen war.
Ich folgte ihr, hinüber ins andere Reich. In die Traum gefilde, die dem Träumer zur Falle werden sollten.
KAPITEL 2
TRAUMGEFILDE
Manchmal ist das Leben voller Überraschungen, und zuweilen erweisen sich die Dinge, an die man glaubt, als Lug und Trug.
Scarlet Hawthorne und ich öffneten die Augen und waren anscheinend noch immer im Korridor vor dem Raum mit den Kokons. Raum 1648 des Plaza .
Die Engel,
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