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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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gerissen.
    Dann hörten wir eine tiefe Stimme, die den Namen des Lichtlords aussprach: »Lucifer.«
    Alle drehten sich um.
    Jemand Dunkles stand vor dem Eingang zum Plaza . Er war nicht alt und nicht jung. Das Gesicht, das keiner richtig erkennen konnte, war für jeden das Gesicht, das er sehen wollte. Er war ein Mann und eine Frau. Ein Tier und eine Pflanze. Er war alles, was jemals gewesen war.
    »Morpheus«, zischte Lucifer. »Endlich sehen wir uns wieder.«

    Scarlet trat neben mir einen Schritt zurück. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet.
    Dies war der Träumer? Der Träumer, der die Welt einst träumte, wie die Welt heute ihn erträumt?
    »Dein Paradies zerrinnt dir zwischen den Fingern«, sagte Morpheus. Er kam nicht näher, verharrte dort, wo er stand. »Du wirst es nicht wiederfinden, nicht hier.« Er warf keinen Schatten und sah in jeder Sekunde anders aus als zuvor. Alle Farben der Welt schwammen in seinen Augen, alle Gefühle, die jemals existiert hatten, spiegelten sich in seinem Gesicht, das alle Gesichter, die es jemals gegeben hatte, war.
    »Die Engel werden mir ihre Herzen schenken«, sagte Lucifer.
    Und Scarlet glaubte eine Spur von Unsicherheit im Gesicht des Träumers zu erkennen.
    »Das werden sie nicht tun.«
    »Ha, Hochmut!«
    »Sie sind selbstsüchtige Geschöpfe.«
    Lucifer zischte. »Ach, wirklich?«
    »Ja, selbstsüchtig. Wie du!«
    Lilith stellte sich neben Lucifer, doch der Lichtlord schob sie weg von sich. Er musste dem Träumer allein gegenübertreten. So war es schon immer gewesen, seit Anbeginn der Zeit.
    »Da, sieh!« Er deutete zum Himmel hinter sich. »Die Dreamings sind tot.«
    Die Engelsscharen näherten sich. Ein Glanz ging von ihnen aus, wie eine Aura, so hell.
    »Sie haben dich durchschaut«, sagte Lucifer. »Sie sind mir treu ergeben.«
    Morpheus schwieg.

    Die Engel schwebten in der Luft über dem Lichtlord. Eine Aura nach der anderen schwebte hinab zu Lucifer und benetzte ihm sanft die Augen. »Es ist, wie ich es prophezeit habe«, sagte der Lichtlord. »Er ist ihr gefolgt, und jetzt ist er hier. Doch wir wussten, dass er erscheint.« Die Engel wisperten, und manche stießen Schreie aus, die seit Anbeginn der Welt keiner mehr vernommen hatte. »Sie hat ihn zu uns geführt, weil wir es zugelassen haben.« Die Engel kreischten vor Wut und Kampfeslust.
    Scarlet wurde bewusst, dass der Lichtlord von ihr sprach. Sie war diejenige, die den Träumer in die Hölle geführt hatte, also doch. Sie hatte es getan, und das war Teil des großen Plans gewesen. Langsam, erschreckend langsam, begann sie zu verstehen.
    »Gebt mir eure Herzen!«, schrie Lucifer. Die letzten Auren wurden sein. »Es ist geschehen, was nie zuvor möglich war«, sagte er mit donnernder und tosender Stimme, »die Engel sprechen mit einer einzigen Stimme. Die Herzen der Engel schlagen in einem Takt.« Sein Körper begann zu leuchten. Das Leuchten wanderte in seine Hände, wurde zu einem Feuerball, der pulsierte und schlug und wie eine kleine Sonne aussah, so blendend und hell wie am ersten Tag der grellen Schöpfung.
    Morpheus trat einen Schritt zurück, seine Arme ruhig an seinen Seiten, als wolle er sich duellieren.
    Scarlet hatte keine Ahnung, was jetzt geschehen würde.
    »Ich habe ihn hergeführt«, murmelte sie nur.
    »Wir beide haben ihn hergeführt«, sagte ich, obwohl das kaum beruhigend war.
    Der Lichtlord trat einen Schritt nach vorn.
    »Er wird ihn töten«, murmelte Scarlet.

    »Ja«, flüsterte ich. Ja, das würde er.
    Lucifer hielt die hell glühende Sonne, die alle schlagenden Herzen der noch lebenden Engel war, wie eine Waffe vor sich. Ihre Strahlen blendeten Morpheus, er streckte die Hände aus. Es war eine verzweifelte Geste, die ein Flehen sein mochte. Ein Zeichen der Niederlage. Er neigte den Kopf leicht zur Seite, und die Gesichter, die immer schneller wechselten, zeigten alle den gleichen Ausdruck.
    »Bleiben Sie bei mir, bitte«, flüsterte Scarlet.
    Ich ergriff ihre Hand. »Bin schon da.«
    Die Engel fauchten und zischten.
    Ihre Zähne und Krallen funkelten im Licht der vielen Herzen, die wie eine einzige Sonne den Träumer verbrennen würden.
    Lilith hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, sie zitterten, Scarlet konnte es sehen.
    Dann trat Lucifer vor.
    Schnell.
    Wie ein Raubvogel.
    Verneigte sich.
    Und überreichte dem Träumer den Sonnenball.
    Das Fauchen der Engel erstarb.
    Plötzlich herrschte Stille.
    Morpheus hielt den Feuerball in den Händen. Lange Finger umschlossen die

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