Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia
weil man sie als Heimat beanspruchte.
»Zwei Secotan«, fuhr Shakespeare fort, »Manteo und Wanchese, begleiteten die Seefahrer nach England, wo sie am Hofe der Regentin der uralten Metropole von London, Königin Elizabeth, und deren engstem Vertrauten, Doktor John Dee, vorgestellt wurden.«
»Was passierte in der Kolonie?«, fragte Jake.
»Langsam, langsam, immer der Reihe nach.« Christo Shakespeare nahm sich Zeit. »Wir befinden uns vorerst noch in England. Am Hofe der Königin. Elizabeth von England. Elizabeth
von London. Der Gedanke, ein anderes Land in Besitz zu nehmen, gefiel ihr.«
Walter Raleigh, ein waghalsiger und mutiger Seefahrer, der seit einiger Zeit schon im Dienste der Regentin von London stand, rüstete daraufhin eine weitere Expedition aus, die neue Siedler und Güter zur ersten englischen Kolonie auf neuem Gebiet bringen sollte. Raleigh war fest davon überzeugt, dass in der Neuen Welt eine mächtige Kolonie erblühen würde. Er taufte das Land auf den Namen Virginia , eine tiefe Verbeugung vor der selbst auferlegten Jungfräulichkeit der Regentin von London.
»Die Schiffe stachen in See. Und fuhren nach Amerika.«
Jake rieb sich müde die Augen und rückte die Brille zurecht. »Was geschah auf Roanoke?«
»Die Insel ereilte ein Unglück nach dem anderen«, begann Shakespeare seine Aufzählung.
Die Engländer glaubten, dass die Indianer sie bestohlen hätten.
»Vermutlich hatte einer der Siedler nur aus Achtlosigkeit eine silberne Tasse verloren. Er gab jedenfalls den Indianern die Schuld.«
Ralph Lane, der das Oberhaupt der Kolonie war, wollte die Eingeborenen Respekt vor den Engländern lehren und ließ kurzerhand eine Siedlung der Secotan samt den angrenzenden Maisfeldern niederbrennen.
»Was dann folgte, war das Drama der Besiedlung der Neuen Welt.«
Der Konflikt zwischen den Secotan und den Kolonisten eskalierte. Lane warf die Waffenstärke der Engländer in die Waagschale, und die Indianer hatten dem nichts entgegenzusetzen.
Christo Shakespeares Augen rasten weiter die Zeilen des Buches entlang. »Doch das war noch nicht alles.« Er blätterte die Seiten um, und Scarlet sah die gemalten Bilder laufen lernen. »Dann, als wäre nicht schon genug Unglück geschehen, starben viele Indianer an einer europäischen Krankheit.«
Jeder fürchtete sich vor dem anderen.
Die Secotan gaben den Engländern die Schuld an allem. Und die Engländer, die sich als rechtmäßige Besitzer der Insel sahen, ahndeten alles, was sie als Vergehen betrachteten, mit äußerster Härte.
»Am Ende wurde die Ernte vernichtet«, sagte Christo Shakespeare. »Keine gute Voraussetzung, um den Winter zu überstehen.« Die dicken Seiten wurden umgeblättert. »Doch dann«, fuhr Shakespeare fort, »erreichten überraschend neue Schiffe die Insel.« Er verneinte es, bevor jemand nachfragte. »Nein, nicht die Schiffe Raleighs, die sich aus England aufgemacht hatten.«
Sir Francis Drake, ein Freibeuter im Dienste der Krone, erreichte Roanoke Island.
Er hatte, begleitet von Abgesandten der englischen Elfenhäuser, während der Sommermonate spanische Schiffe in der Karibik gekapert und kehrte nun nach England zurück, noch bevor das nächste Versorgungsschiff die Insel erreichte.
»Als die Schiffe aus England dann endlich eintrafen, da fanden die neuen Siedler keine Engländer mehr vor. Die Indianer hatten alle Fremden getötet. Die neuen Siedler setzten das leere Fort instand und ließen sich dort nieder. John White, dem die Position des Gouverneurs zukam, war ihr Anführer.« Shakespeare starrte auf das Papier. »Er war ein
Mann mit ungewisser Vergangenheit, aber von Einfluss bei Hofe, und die Regentin hatte ihm für diese Raleigh-Expedition freie Hand gegeben.
Auch Master John Whites Tochter Elyonor und deren Mann Ananias Dare begleiteten ihn nach Amerika. Elyonor war schwanger, als sie die Neue Welt erreichten. Ihre Tochter erblickte im August des Jahres 1587 das Licht der Welt. Sie war das erste englische Kind, das auf amerikanischem Boden geboren wurde.
Man taufte das Mädchen auf den Namen Virginia Dare.«
»Was geschah mit den neuen Siedlern?« Scarlet konnte es kaum erwarten, alles zu erfahren. Das Unheil war förmlich spürbar, schon allein in den Worten.
»Wir nähern uns dem Ende der Geschichte«, verkündete Shakespeare, »wir nähern uns dem großen Rätsel.« Er strich sich über den Bart. »Nur zwei Wochen nach der Geburt der kleinen Virginia kehrte John White nach England zu Königin Elizabeth
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