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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Tat. Sie sehen wie Engel aus.«
    Und Scarlet meinte: »Wohin führt uns das?«
    Wir tauschten Blicke.
    Schwiegen.
    Draußen wehte der Wind ums Haus. Die Dachbalken knarzten vor Kälte, die durch die Ziegel kroch und sie zögerlich mit spitzen Fingern berührte.
    »Vielleicht sind das die Siedler?«, mutmaßte Scarlet. »Vielleicht sind sie in eine Höhle geflüchtet und haben den Namen des Ortes, Croatoan , als Hinweis im Fort zurückgelassen. Vielleicht haben sie den Stein vor den Eingang gerollt, damit sie in Sicherheit waren.«

    Damit etwas, was draußen war, nicht zu ihnen hineinkonnte , wisperte Buster.
    Unwillkürlich musste Scarlet an die Wendigo denken.
    Ich gab zu bedenken: »Das erklärt nicht, weshalb die Secotan die Siedler als Wesen mit Flügeln gemalt haben.«
    »Und diese Pfützen hier …«
    Erneutes Schweigen.
    Es war Buster Mandrake, der die Stille brach. Das sind Engel, die zu Eistoten wurden. Er rieb sich mit den Pfoten die Schnauze . So sehen sie doch aus, oder etwa nicht?
    Alle betrachteten wir die Zeichnungen.
    Croatoan .
    Was hatte dieser Ort mit dem Dakota und Master Van Winkle zu tun? Wie kam es da zu einer Verbindung?
    Croatoan .
    »Hat John White diesen Ort damals gefunden?«
    Christo Shakespeare schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht. Er hat danach gesucht, ja. Aber ein Unwetter zwang ihn zur Umkehr. Er kehrte nach England zurück, das ist alles, was wir wissen.«
    Scarlet blätterte um und starrte das Bildnis auf der nächsten Seite an.
    Es zeigte John White, einen sehr elegant gekleideten Mann unbestimmten Alters mit großen Augen und einer langen Nase und blondem Haar, das ihm lockig um die Schultern fiel.
    Scarlet hatte das unbestimmte Gefühl, dieses Gesicht schon einmal gesehen zu haben.
    Wo?
    Sie vermochte es nicht zu sagen.
    Sie stand auf und ging unruhig im Raum umher. »Die Eistoten
von New York sind also möglicherweise nicht die ersten Opfer dieser Art.«
    »Und jemand ist gestern in die Bibliothek eingebrochen, um sich darüber zu informieren«, sagte Jake.
    Die Löwen haben es uns gesagt , bemerkte Buster. Es war ihr Freund. Die kleine schwarze Nase deutete auf Scarlet.
    Christo Shakespeare fragte: »Ihr Freund, Miss Scarlet?«
    Sie erzähle ihm kurz und knapp die ganze Geschichte.
    »All diese Spuren«, folgerte Shakespeare mit seiner tiefen Stimme, »müssen also verfolgt werden.« Seine Augen leuchteten auf, als er flüsterte: »Van Winkle, Eistote, Wendigo, Croatoan . Ein Rätsel, das es zu lösen gilt. Wie schön, wie schön.«
    Jake deutete auf eine Liste, die sich vom übrigen Text auf der Seite abhob. »Das sind Namen«, stellte er fest und las einige von ihnen vor: »Poddingcroft, Van Tessel, Shuckford, Clattercop, Heckwelder.« Sein Finger blieb bei einem Namen stehen. »Van Winkle.« Er sah mich an. »Was hat das zu bedeuten?«
    Mir schwindelte. Die Puzzleteile begannen sich zu fügen.
    Scarlet beugte sich vor, um die Namen lesen zu können. »Was sind das für Namen?«
    »Das«, sagte ich, viel leiser, als ich es beabsichtigt hatte, »sind die Namen der Eistoten.«
    »Sie meinen, die Eistoten haben damals schon gelebt und sind jetzt hier wieder aufgetaucht?«, fragte Scarlet.
    »Nein«, brummte Christo Shakespeare, »das auf der Liste waren ihre Vorfahren, in gewisser Weise. Sie alle haben auf Roanoke Island gelebt.« Er sprang auf und lief aufgeregt im Raum umher. »Ja, die Vorfahren der Eistoten sind in Croatoan gestorben.«

    »Wie können die Nachfahren in New York leben, wenn die Vorfahren alle getötet wurden?«, dachte Scarlet laut nach. Immerhin hatte angeblich niemand auf der Insel überlebt.
    »Oh, woher soll ich das wissen«, murrte ich.
    Scarlet schwieg.
    Sie erbebte bei dem Gedanken, wie greifbar die Vergänglichkeit so plötzlich geworden war. All die Jahrhunderte zerflossen und wurden eins. Die Dinge, die damals begonnen hatten, endeten hier in New York. Es gab natürlich einen Grund, klar, den gab es immer. Doch der Gedanke, dass sie selbst in all die absonderlichen Vorkommnisse verwoben war, machte ihr unsägliche Angst. Sie berührte ihr Amulett und spürte die Wärme, die es in sich barg, und dann schloss sie die Augen und sah sich selbst als Spiegelbild in den Wassern, in die sie einst eingetaucht war, ganz und gar und nicht allein, still hoffend, dass die Dinge, die sie damals so glücklich gemacht hatten, sich nie ändern würden.
    Dann erblickte sie etwas, direkt vor sich, schwebend in der warmen Luft des Archivs, und die bleierne

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