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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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silbrig vor der himmelblauen Welt schweben oder über unsern Mastenwald gleiten sah. Statt dessen wirkte es nun wie ein Teil des Schiffes, mit dem ich nun schon so lange (wie’s mir vorkam) fuhr, eine seltsame Verdickung am Bugspriet oder Galion, dessen Flügel weiter nichts als Brassen waren, die es besser fixierten am Bug.
    Bald entsann ich mich, daß ein solches Schiff gekommen war, um ihn zu holen, als der alte Autarch auf Yesod geschafft wurde. Voller Freude lief ich übers Deck und suchte eine Luke; es tat gut, das Laufen, in der Kälte und in der Luft, obwohl jeder lahme Schritt mir Stiche in den Füßen gab. Schließlich sprang ich hoch und wurde erwartungsgemäß vom Wind erfaßt und weit über den endlosen Rumpf getragen, bis ich ein Stag zu fassen bekam, was mir um ein Haar die Arme auskugelte.
    Weit genug. Bei meinem kühnen Flug hatte ich den Spalt entdeckt, durch den mein kleiner Haufen an Deck geklettert war. Ich rannte dorthin und tauchte ein in vertraute Wärme, in den Irrlichterglanz im Innern.
    Jene Stimme, die nie deutlich hörbar, aber stets verständlich war, hallte durch alle Korridore und verlangte nach der Inkarnation der Urth; und ich lief, froh ob der Wärme, weiter und spürte die reine Luft von Yesod gar bis hierher vordringen und war mir sicher, daß die Zeit meiner Prüfung endlich gekommen oder jedenfalls nahe war.
    Gruppen von Matrosen durchsuchten das Schiff, aber eine ganze Weile konnte ich nicht in Verbindung mit ihnen treten, obwohl ich sie überall ringsum hörte und manche kurz sah. Schließlich tat ich eine dunkle Tür auf, trat auf einen erhöhten Rost und sah im spärlichen Licht von oben eine Halde aus Bauholz und Maschinenteilen, aus der Papier quoll wie angeschmuddelte Schneewächten und auf der riechender Staub Pfützen bildete. Wenn es nicht die Stelle war, von der Sidero mich gestoßen hatte, so eine sehr ähnliche.
    Auf mich zu kam über die Halde eine schmale Prozession, und bald merkte ich, daß es eine triumphale Prozession war. Viele Seeleute trugen Lichter, die phantastische Muster ins Dunkel warfen, während andere hüpften und tanzten. Manche sangen:
     
    Genug der Plag, Kamerad, für diesen Tag!
    Denn nur sind auf große Fahrt gegangen,
    wolln zum Ende des Himmels gelangen,
    machen – w enn überhaupt – erst kehrt,
    wenn kein heiles Segel mehr währt.
     
    Und so weiter.
    Nicht alle in der Prozession waren allerdings Matrosen. Ich sah mehrere Gestalten aus glänzendem Metall und konnte bald sogar feststellen, daß sich darunter Sidero befand, den ich ohne weiteres am unreparierten Arm erkannte.
    Ein wenig abseits von den übrigen gingen drei mir neue Gestalten, ein Mann und zwei Frauen in Mänteln, und ihnen voraus als vermeintliche Spitze der Prozession ein nackter Mann, der alle anderen an Größe übertraf und gesenkten Hauptes schritt, so daß ihm das lange blonde Haar ins Gesicht hing. Zunächst wähnte ich ihn tief in Gedanken, denn er hatte scheinbar die Hände am Rücken verschränkt, und ich war selbst oft in dieser Haltung hin und her gegangen, wenn ich über die mannigfaltigen Probleme unsrer Republik grübelte; dann sah ich, daß ihm die Hände auf den Rücken gefesselt waren.
     

 
Die Inkarnation
     
    Nicht mehr so unerfahren wie ehedem sprang ich von jener Plattform und landete nach langem trägen Fall, den ich eher angenehm empfand, auf halber Entfernung zur Prozession.
    Der Gefangene blickte nicht einmal auf. Obwohl ich sein Gesicht nicht richtig sehen konnte, war ich mir sicher, daß ich es nicht kannte. Er hatte mindestens die Größe eines Beglückten, und ich hätte ihn einen halben Kopf größer als die meisten geschätzt. Brust und Schultern waren prächtig ausgebildet, ebenso die Arme, soweit ich das sehen konnte. Mit jedem Schritt kräuselten sich mächtige Muskeln wie Anakondas unter der hellschimmernden Haut. Das blonde Haar wies keinerlei Grau auf; anhand dessen und anhand der schmalen Taille schätzte ich ihn auf nicht älter als höchstens fünfundzwanzig.
    Die drei, die dem außergewöhnlichen Gefangenen folgten, hätten nicht gewöhnlicher sein können. Alle waren sie von durchschnittlicher Größe und hatten die Lebensmitte wohl erreicht. Der Mann trug Waffenrock und Kniehosen unterm Mantel, die beiden Frauen waren in wallende Gewänder gekleidet, die bis unters Knie reichten. Bewaffnet waren sie nicht.
    Ich trat, als sie näher kamen, zur Seite. Allerdings schienen mich nur die Matrosen zu beachten. Einige (von denen ich

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