Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
zu kümmern. Nur noch wenige Tage würden ihr an der Seite ihres Bruders bleiben, in der Obhut dieser sanften, lieben Frau, die ihrer Mutter so ähnlich war. Zwar lag dieses Bogen nur zweieinhalb Wegstunden entfernt, hatte sie von Ursula Wolffin erfahren, aber dennoch! Sie hatte nicht die geringste Lust, den Dreck irgendwelcher fremden Leute wegzuschaffen.
    Indessen kam alles anders: Einen Tag vor Martini lief Zenzi, das Küchenmädchen, auf und davon. Ursula Wolffin war wie vor den Kopf geschlagen. Sie stand gerade mit Agatha und Eva in der Küche, um das Morgenmahl zu richten.
    «Dieses undankbare Ding! Wie kann sie uns nur von heut auf morgen im Stich lassen?»
    «Vom Brotgeld und von den Vorräten hat sie auch was mitgehen lassen, die Satansmetze», fauchte Agatha. «Euer Gemahl sollte das vor Gericht bringen.»
    Ursula Wolffin seufzte. «Das wird nichts nützen. Die ist doch längst über alle Berge, und morgen wird sie sich irgendwo aufeinem Gesindemarkt bei neuen Herrschaften verdingen. Was sollen wir jetzt bloß machen?»
    Da öffnete sich die Tür, und der Hausvater erschien mit Niklas im Schlepptau. Nachdem er von der bösen Nachricht erfahren hatte, runzelte er die Stirn.
    «Hört bloß auf mit dem Gejammer! Das Luder war keinen Pfifferling wert. Faul war sie und dumm obendrein. Ursula, du gehst morgen mit Agatha auf den Markt und schaust dich nach einem neuen Mädchen um. Derweil marschieren Niklas und ich mit Eva nach Bogen. Was ist mit dir, Niklas – warum guckst du so entgeistert? Hast du etwa keine Lust mitzukommen?»
    «Doch, schon – aber warum bringen wir Eva weg und holen einen fremden Menschen ins Haus? Meine Schwester kann wunderbar kochen und einmachen, das hat sie bei Odilia Edelmanin gelernt. Warum also die Katze im Sack kaufen?»
    Für einen kurzen Moment wirkte Endress Wolff verärgert über diesen vorlauten Einwand. Dann kratzte er sich den Bart: «Hm, so ganz unrecht hast du eigentlich nicht. Ich muss zugeben, dass deine Schwester fleißig und verlässlich ist. Andererseits hab ich meinem Freund versprochen, Eva vorbeizubringen.»
    «Lässt sich das nicht rückgängig machen?», fragte seine Frau vorsichtig.
    Der Hausvater musterte seine Nichte von oben bis unten, und Eva kam sich vor wie bei einer Fleischbeschau.
    «Nun gut. Neue Umstände erfordern neue Beschlüsse. Ich miete zu Mittag ein Pferd und reite nach Bogen. Und du, Eva, machst ab heute die Küchenarbeit. Worauf wartest du noch?»
    Dieses Mal konnte Niklas nicht an sich halten und fiel seinem Oheim mit einem unterdrückten Jauchzen um den Hals.
     
    Ungewöhnlich früh und mit eisigen Krallen legte sich der Winter über den Gäuboden. Evas sechzehnter Geburtstag – zweiWochen vor Weihnachten – verlief als ein ganz gewöhnlicher Tag, denn die Wolffens hingen wie die große Mehrheit in der Stadt dem alten Glauben an. Inzwischen konnte Eva über das allerorts übliche Glaubensgezänk nur noch den Kopf schütteln. Es schien ihr, als hänge ein jeder mal dieses, mal jenes Fähnchen in den Wind, gerade wie es passte. So hatte sie es in ihrer eigenen Familie erfahren, so war es auch hier in Straubing. Was wohl der Herrgott von all diesem Hin und Her hielt?
    Von ihrer Muhme wusste sie, dass die Donaustadt noch bis vor wenigen Jahren ein Zentrum der Reformierten gewesen war, die sich in der Demut Christi übten und den Lehren Luthers folgten – bis der Baiernherzog aus dem fernen München dagegen polterte und den neuen Glauben als Adelsverschwörung und Landesverrat geißelte. Als er schließlich immer mehr Jesuiten ins Land holte und die ersten Lutheraner Straubing verlassen mussten, kippten die Zunft- und Ratsherren einer nach dem anderen um, und flugs wurden wieder die Rosenkränze und Madonnenbilder aus den Kisten gekramt. So auch im Haus von Endress Wolff, wo nun nach alter Tradition der Tag des Namenspatrons statt des Geburtstags gefeiert wurde.
    Daher gedachte an diesem Morgen auch nur Niklas ihrer, mit einer herzlichen Umarmung und einem Sträußchen getrockneter Herbstblumen.
    «Du siehst manchmal so traurig aus», sagte er ihr dabei. «Geht’s dir nicht gut?»
    «Schmarrn! Alles ist bestens.» Sie strich ihm übers Haar und versuchte zu lächeln. «Und jetzt lass mich in die Küche, ihr wollt schließlich alle was zu essen.»
    Längst hatte Eva begriffen, warum Zenzi von hier weggelaufen war: Mit der alten Agatha war es nämlich kaum auszuhalten. In alles mischte sie sich ein, an allem fand sie etwas auszusetzen. Dabei

Weitere Kostenlose Bücher