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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Nicht gut, aber es reicht für unser Haus«, antwortete sie müde. »Warum?«
    »Wenn du Zeit hast, komm heute Nachmittag zum Markt. Meine Freunde und ich werden Kunststücke und Musik aufführen.«
    »Gehörst du zu einer Artistengruppe?«, fragte Tamaskana interessiert. Sie hatte es plötzlich nicht mehr eilig.
    »Ja. Ich spiele die Flöte. Wir sind eine Truppe von Musikern, und wir können gut noch jemanden gebrauchen. Wenn du möchtest, kannst du es bei uns versuchen.«
    In dem Gesicht des Mannes war keine Falschheit zu entdecken. Er blickte Tamaskana erwartungsvoll an, und in seinen Augen lag eine Wärme, die sie noch nie bei einem Mann gesehen hatte. Er flößte ihr Vertrauen ein.
    »Wie lange seid ihr in Khotan?«, fragte sie.
    »Nur noch wenige Tage.«
    »Ich werde es mir überlegen. Und jetzt muss ich weiter.«
    Kurz bevor sie in die nächste Gasse abbog, drehte sie sich noch einmal um. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
    »Wie heißt du?«, rief er.
    »Tamaskana.«
    »Ich würde mich freuen, wenn du kommst, Tamaskana. Tamaskana, das Licht in der Dunkelheit. Ein schöner Name.«, sagte er und hob seine Hand.
    Tamaskana winkte zurück. Sie würde zum Markt gehen, und wenn es das Letzte war, was sie in diesem Leben tat.

Khotan
    Dezember 2004
    L i Yandao sah trübsinnig aus dem Fenster seines Büros. Die Betonwände des Gebäudes gegenüber waren so grau wie seine Stimmung. Im Hof stand eine einsame Pappel und reckte ihre kahlen Äste in einen weißen, verwaschenen Himmel. Es war kalt, nicht nur draußen auf den windgepeitschten Straßen Kashgars, sondern auch in seinem Büro. Der kleine Heizkörper schaffte es nicht, den Raum auf mehr als zehn oder elf Grad zu erwärmen.
    Was für eine Stadt, dachte er. Im Winter zu kalt, im Sommer zu heiß und die Zeiten dazwischen zu kurz.
    Er stand auf und ging ruhelos zwischen dem Schreibtisch und einem Aktenschrank hin und her. Liu Zhenguo spähte durch die geöffnete Tür.
    » Ni hao, Yandao. Ich gehe zur Kantine. Soll ich dir was mitbringen? Baozi vielleicht?«
    »Keinen Hunger«, sagte Li Yandao, ohne seine Wanderung zu unterbrechen.
    »Du wirkst, als seist du mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden.«
    Li Yandao blieb stehen und schaute Zhenguo ausdruckslos an. »Ich frage mich, warum ich überhaupt aufgestanden bin«, murmelte er.
    »So schlimm?«
    Statt einer Antwort zeigte Li Yandao auf seinen mit unordentlichen Papierstapeln übersäten Schreibtisch. Von seiner Kuan-Yin-Figur waren nur die mitleidig über die Aktenlandschaft blickenden Augen zu sehen.
    »Oh, oh. Das sieht nicht gut aus«, bestätigte der Kollege und strich sich über den kahlen Schädel. »Aber tröste dich: Ich habe die Oberfläche meines Schreibtisches seit einem Monat nicht mehr gesehen. Kann mich nicht erinnern, ob er aus Holz oder aus Plastik ist.«
    »Mann, du bist ein Optimist. Plastik natürlich«, sagte Li Yandao. Genau wie er selbst war Zhenguo abkommandiert worden, sich um die Fälle der überlasteten Kollegen aus anderen Abteilungen zu kümmern, solange kein kapitales Verbrechen verübt wurde. Der Mord an dem Uighuren in der Baugrube lag mittlerweile sieben Wochen zurück, und sie hatten den Fall bisher nicht lösen können. Die Ermittlungen liefen schleppend weiter, aber Li Yandao machte sich keine Illusionen: Die Spuren waren so kalt wie das Wetter, und früher oder später würden sie ihre Bemühungen aufgeben. Es hatte sich herausgestellt, dass der Ermordete ein Kleinkrimineller war, dem nicht einmal seine Eltern eine Träne hinterherweinten, und er vermutete, dass sein Chef den Fall bald zu den Akten legen würde. Li Yandao wünschte sich den nächsten Mord beinahe herbei.
    Im Gegensatz zu ihm hatte sein Kollege ein sonniges Gemüt und ließ sich nur selten den Tag verderben. Was nicht erledigt werden konnte, blieb eben liegen. Oder wurde von Li Yandao bearbeitet, der sich normalerweise nicht beschwerte. Viel Arbeit bedeutete, dass die Stunden nach Feierabend, die er meistens einsam vor dem Fernseher verbrachte, auf ein Minimum schrumpften.
    Aber heute war alles noch schlimmer. Er war tatsächlich mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden. Erst hatte er sich beim Rasieren geschnitten, dann entdeckte er ein Loch in seiner Lieblingshose, und zu allem Überfluss hatte die Katze des Nachbarn eine tote Ratte vor seiner Tür abgelegt. Er war prompt in die Sauerei getreten und beinahe ausgerutscht. Die in seinem Büro auf ihn lauernden Akten gaben ihm den Rest.
    »Ich kann

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