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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Letzte aus seinem armen Auto heraus, als er über die Wüstenpiste nach Hause fuhr. Ungeduldig trommelte er aufs Lenkrad, weil der Shanghai Saloon sich nur schwer aus seinem gemächlichen Trott bringen ließ, aber innerlich jubelte er. Der Urlaub hatte sich in jeder Hinsicht gelohnt. Er war endlich wieder auf der Jagd.

Der schwarze Sturm
    September 785 n.Chr. bis April 799 n.Chr.
    D er Abt stand an der Eingangspforte seines Klosters, als die zerlumpte Gauklertruppe über die Pappelallee an dem ausgetrockneten Flussbett herunterkam. Die zwei Dutzend Menschen waren abgemagert, ihre Haare verfilzt und schmutzig, aber es gelang ihnen, ein Lächeln auf die Gesichter der wenigen Einwohner von Li Xie zu zaubern. Der Lärm hatte die Bauern und Handwerker aus ihren ärmlichen Lehmhäusern gelockt, sie kamen aus allen Richtungen gelaufen, um sich das Spektakel anzusehen. Es war mindestens zehn Jahre her, seit sich eine Wandertruppe in die sterbende Stadt verirrt hatte.
    Der Zug wurde von einem außergewöhnlich großen und muskulösen Mann angeführt, auf dessen Schultern ein Zwerg stand. Mit lauter Stimme pries der Zwerg die Artisten an: Auf zwei Pferden ritten ein magerer Jüngling und eine noch dünnere junge Frau mit glanzlosen, welligen Haaren. Ein älterer Mann führte einen zahmen Bären an einem Nasenring, ihm folgten die Musiker. Die fünf Männer und Frauen hatten sich auf einer Holzplattform auf dem Rücken eines Kamels zusammengedrängt und spielten mit Pipa, Harfe, Klapper und Bambusflöte eine lebhafte Melodie aus Kucha, während mehrere Tänzer um das Kamel wirbelten. Die langen Ärmel an den vielfarbigen Kleidern der Tänzer folgten jeder Bewegung, so dass es aussah, als würden sie von einem Schwarm bunter Schmetterlinge umkreist.
    Die Sorgenfalten auf der Stirn des Abts glätteten sich; er dachte an die lange vergangenen Zeiten, als Li Xie reich und voller Leben gewesen war und eine Karawane nach der anderen bewirtet hatte. Damals hatte Li Xie stolze dreihundert Familien und zweihundertfünfzig Mönche gezählt, die chinesischen Soldaten und Beamten nicht mitgerechnet.
    Es war der Anfang vom Ende, als der chinesische General Xiao Zhi über dreißig Jahre zuvor eine Schlacht gegen die Araber verloren hatte und wenig später die Tibeter wie eine Lawine aus den Kunlun-Bergen auf Zhangye, Wuwei und sogar die chinesische Hauptstadt niedergegangen waren. Die Chinesen waren immer schwächer geworden, die Tibeter immer dreister. Die Überfälle der tibetischen Räuberbanden häuften sich, bis schließlich der Handel zum Erliegen kam. Das vollständig von den Karawanen abhängige Li Xie verarmte. Die reichen Leute waren vor langer Zeit fortgegangen, um sich in der Sicherheit der großen Khotan-Oase anzusiedeln, während die verbliebenen Bauern, Mönche und Soldaten einen aussichtslosen Kampf gegen den Sand fochten, der die Bewässerungskanäle verstopfte. Die ersten Pfirsichhaine und Felder waren bereits vertrocknet, eine Beute der Wüste.

    Der starke Mann hatte die Höhe des Klosters erreicht, und der Zwerg gab mit einer Handbewegung das Zeichen zum Anhalten. Behutsam setzte sein Träger ihn ab, woraufhin der winzige Mann auf den Abt zuging und sich tief verbeugte.
    »Ich grüße Euch, heiliger Mann«, sagte er. »Könnt Ihr mir sagen, wo ich den Militärkommandanten dieser Stadt finde?«
    »Seid gegrüßt, Meister …?«
    »Zwerg. So nennen mich alle.«
    »Gut, dann Meister Zwerg. Der Kommandant hat seinen Sitz auf der anderen Seite des Flusses.« Er wies in nördliche Richtung. Zwischen den Pappeln entlang des trockenen Flussbettes war ein großes, einstöckiges Gebäude auszumachen, über dem mehrere zerrissene Fahnen im Wind flatterten.
    »Habt Dank für die Auskunft.« Der Zwerg drehte sich um und rief die beiden jungen Leute auf den Pferden heran. Dann wandte er sich erneut an den Abt.
    »Wir werden dem Kommandanten einen Besuch abstatten und die Erlaubnis erbitten, in Li Xie aufzutreten. Bitte habt die Güte, Euch unterdessen die Geschichte meiner Freunde anzuhören, die in großer Not sind.«
    Die jungen Leute traten vor den Abt und begrüßten ihn ehrerbietig. Sie sahen sich ähnlich, und der Abt nahm an, dass sie Geschwister waren. Das Mädchen war auf eine unaufdringliche Art hübsch, während es den Abt Überwindung kostete, seinen Blick von dem Bruder zu nehmen, dessen verhärmtes, vor der Zeit gealtertes Gesicht von riesigen, unruhig hin- und herflackernden Augen beherrscht wurde. Der Abt bat die

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