Die verborgene Seite des Mondes
schnell. Laut brüllend bat Ada Simon und Julia, sich um Tommy zu kümmern, dann stieg sie zu Boyd in den Helikopter.
»Wohin bringen sie ihn?«, rief Simon.
»Salt Lake City. IS-Center«, schrie der Arzt, der mit dem Helikopter gekommen war.
Die Türen wurden geschlossen, die Drehflügel begannen wieder schneller zu rotieren, und mit lautem Geknatter stieg der Helikop ter in die Luft. Der Sog der Rotorblätter wirbelte Dreck und Pflan zenteile umher und bald war nur noch eine schimmernde Libelle am blauen Himmel zu sehen.
25.
N och völlig unter Schock fuhren Simon und Julia zurück auf die Ranch, gefolgt von Dan, dem Polizeichef von Eldora Valley. Er wollte sich von ihnen den Hergang des Unfalls erklären lassen und Fotos von der Unglücksstelle machen.
Julia saß stumm neben Simon im Jeep.
Seine Hände, rot von angetrocknetem Blut, umklammerten das Lenkrad. »Sag doch was«, bat er sie. Zum ersten Mal war ihm Stille unheimlich.
»Was, wenn er stirbt?«, flüsterte Julia.
»Das darfst du nicht einmal denken.« Simon schluckte beklom men. Julia brach erneut in Tränen aus. »Nicht weinen, ja? Bitte nicht weinen. Er wird es schaffen, okay! Er ist ein zäher alter Mann und er wird es schaffen.« Es musste einfach so sein.
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah aus dem Bei fahrerfenster.
Zurück auf der Ranch, erklärte Julia dem Polizisten, wie alles pas siert war. Dan machte sich Notizen und ein paar Fotos von der Un fallstelle, anschließend fuhr er zurück in die Siedlung.
Simon und Julia waren wieder allein mit Tommy, der während der ganzen Zeit in seinem Pick-up gesessen hatte. Er brabbelte unruhig. Obwohl er nichts vom Unfall mitbekommen haben konnte, spürte er, dass etwas nicht stimmte.
Das quälende Gefühl der Verantwortung lastete wie ein Zement sack auf Simons Schultern. Er wusste nicht, wie schwer der alte Mann verletzt war und wie lange er im Krankenhaus bleiben muss te. Vielleicht würde er ja auch nie wieder auf die Beine kommen.
War das das Ende der Ranch?
Simon stand mit hängendem Kopf vor Tommys Truck.
»Schon gut, Tommy«, sagte er, »du bekommst gleich etwas zu es sen.« Er öffnete die Beifahrertür und nahm Tommy huckepack. Ein stechender Geruch stieg ihm in die Nase. Tommys Windeln waren voll. Einen Augenblick lang drohte Simon unter seiner Last zusam menzubrechen. Die Knie gaben nach und er musste seine letzten Kraftreserven aufbringen, dass er nicht mit dem Jungen auf dem Rü cken zu Boden ging.
Aber dann fasste er sich wieder. Er war verantwortlich für Tommy, für Julia und für die Tiere. Er musste durchhalten. Es würde sich schon eine Lösung finden.
Simon windelte Tommy und fütterte ihn mit Babybrei. Während dessen musste er immer wieder er an den alten Mann denken, der sein Freund war. Wie hatte das bloß passieren können?
Boyd hatte ihm mal erzählt, dass es im Leben Zeichen gab, die man nicht übersehen durfte. Zeichen, die einem den Weg wiesen. Die einen darauf aufmerksam machten, dass etwas zu Ende war und die Zeit gekommen, etwas Neues zu beginnen. Hatte er diese Zei chen übersehen? Peppers Tod, der brennende Kombi, Jasons Dro hung. War seine Zeit auf der Ranch abgelaufen?
Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein.
»Wir müssen hier weg, Simon.« Julia stand neben ihm, Angst im Gesicht. Ihr offenes Haar reichte ihr bis zu den Hüften. Es glänzte in der Sonne.
»Was?«
»Jason wird wiederkommen«, sagte sie. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er erfährt, was passiert ist und dass wir mit Tommy alleine hier draußen sind. Diesmal wird er sich die Chance nicht entgehen lassen, dich fertigzumachen.«
Simon antwortete nicht. Er brachte Tommy in den Truck zurück und Julia folgte ihm. »Simon?«
»Ich k-ann hier nicht weg«, sagte er und seine Stimme zitterte.
»Wer soll sich um Tommy kümmern? Wer soll die Tiere versorgen? Ich kann nicht einfach davonlaufen. Du hast doch gehört, was deine Granny gesagt hat.«
»Dann ist es eben das erste Mal, dass du nicht tust, was sie sagt«, erwiderte Julia aufgebracht. »Wir nehmen Tommy mit, okay?«
»Wohin?«, fragte Simon.
»Ich weiß es nicht«, schrie sie. »Ich weiß es verdammt noch mal nicht, aber wir müssen hier weg. Jason hat gesagt, er bringt dich um und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie das passiert.«
Die Panik in ihren Augen ernüchterte ihn und er erkannte, dass sie recht hatte. Simon machte einen Schritt auf Julia zu und umarmte sie fest, bis sie sich
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