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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Gesicht aus, als er Julias Tränen bemerkte.
    »Hat er dir w-ehgetan?«
    »Nein, hat er nicht. Ich habe nur keine Ahnung, was er von mir will.« Verlegen ließ sie Tommys klebrige Hand los und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    Ihr Cousin gab wieder Klickgeräusche von sich, hielt unvermittelt inne und lauschte. Dann ließ er ein ungeduldiges Grollen hören und begann monoton mit dem Oberkörper zu schaukeln.
    »Er w-ill in seinen Truck.« Simon bückte sich, damit Tommy ihm die Arme um den Hals legen konnte, und trug ihn auf dem Rücken nach draußen.
    Julia lief den beiden hinterher und sah zu, wie Simon Tommy be hutsam auf dem Beifahrersitz absetzte.
    »Sitzt er den ganzen Tag da drin?«
    »Es ist sein L-L-L. . . also sein Lieblingsplatz.«
    Tommy saß still da und wirkte nun durch und durch zufrieden. Er leichtert atmete Julia auf. »Danke, Simon«, sagte sie.
    Er nickte verlegen, schien nicht zu wissen, wohin mit seinen Hän den. Dann drehte er sich um und ging davon.

5.

    B ei den Shoshoni war es Brauch, ihre Toten dort zu beerdigen, wo die Seele den Körper verlassen hatte. Dieser Brauch rührte daher, dass sie früher als Nomaden durchs Land gezogen waren und ihre Verstorbenen auf den weiten Wanderungen nicht mit sich herum tragen konnten.
    Doch wo auch immer der Körper eines verstorbenen Shoshone-In dianers begraben lag, seine Seele musste nach Newe Sogobia zurück geholt werden, sonst würde sein Geist ewig in der Fremde umherir ren.
    So hatte es John seiner Tochter erklärt. Julia hatte gedacht, dass dieses Ritual eine schöne Art war, die Verstorbenen zu ehren. Nun war sie hier in Nevada und würde an der Abschiedszeremonie für ih ren Vater teilnehmen, die am kommenden Wochenende in den Cor tez Mountains stattfinden sollte. Es war Adas Idee gewesen, ihren Sohn auf dem alljährlichen Sommertreffen der Shoshoni zu verab schieden, denn so konnten auch Verwandte und Bekannte dabei sein, die von weit her angereist kamen.
    Julia hatte sich bisher keine Vorstellung von diesem Treffen ge macht, deshalb war sie verblüfft, als sie nach und nach mitbekam, welche Dimensionen es haben würde.
    Am Nachmittag bekamen Hanna und Julia von Ada die Aufgabe, verschiedenfarbige Stoffbänder zu Bündeln zu schnüren. Sie sollten an Verkehrsschildern und markanten Punkten angebracht werden, um die Besucher des Treffens zum Versammlungsplatz zu führen.
    »Wie groß ist dieses Treffen eigentlich?«, fragte Julia ihre Mutter, als sie erfuhr, wie viele Stoffbündel es werden sollten.
    Sie saßen am Tisch in der Küche und Hanna sah von ihrer Arbeit auf. »Deine Großeltern organisieren das Sommercamp jedes Jahr«, erklärte sie. »Shoshoni aus allen Teilen des Landes reisen an, um für zwei Tage auf dem uralten Versammlungsplatz am Mount Tenabo zu zelten. Jeden Morgen treffen sich alle zur Sonnenaufgangszeremonie, teilen die Mahlzeiten, sitzen beisammen und lauschen den Geschichten der Alten am Lagerfeuer. Sie sprechen über den Kampf gegen das BLM und die Goldmine und organisieren ihren Widerstand.«
    »Warst du schon einmal dabei?« Julia sah ihre Mutter neugierig an.
    Hanna nickte. »Ja, ein Mal. Zusammen mit deinem Vater.«
    Das Telefon klingelte und Ada stürmte in die Küche, um abzuhe ben. Julia hörte, wie ihre Großmutter sich mit jemandem stritt und schließlich den Hörer aufknallte.
    Ihr Gesicht glich einer Gewitterwolke, als sie sich zu ihnen setzte.
    »Das war Veola«, sagte sie mürrisch. »Eigentlich sollte Jason die Schilder morgen aufstellen, aber er ist seit zwei Tagen nicht nach Hause gekommen und seine Mutter hat keine Ahnung, wo er sich herumtreibt. Nun muss Simon das machen, obwohl ich ihn für ande re Arbeiten brauche.«
    »Wie wäre es, wenn Julia ihm dabei hilft«, schlug Hanna vor, »dann geht es schneller.« Sie sah ihre Tochter aufmunternd an. »Das ist doch bestimmt nicht schwer.«
    Julia erschrak, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Würdest du das tun, Julia?«, fragte Ada. »Zu zweit geht es schneller.«
    Was bleibt mir anderes übrig , dachte sie und sagte: »Klar. Warum nicht?«
    Als Julia später einen Moment mit ihrer Mutter allein war, be schwerte sie sich bei ihr. »Du schickst mich mit diesem Jungen, der nachts um unseren Trailer streicht, alleine auf Tour?«, fragte sie vor wurfsvoll. »Machst du dir gar keine Sorgen?«
    »Auf mich wirkt Simon vollkommen harmlos«, erwiderte Hanna lä chelnd. »Er ist ein bisschen schüchtern, das ist alles.«
    »Du hättest mich

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