Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
heute Nacht nur sehr ungern allein. Sie können ja noch nicht einmal die Haustür abschließen, bis die alte ausgetauscht ist.«
Katja fragte sich, worauf dieses Gespräch hinauslief. Hatte Lambert sich etwas wegen ihrer Sicherheit überlegt?
»Danke, dass Sie so besorgt sind. Was schlagen Sie vor?«, fragte sie.
Lambert zögerte eine Sekunde, ehe er antwortete.
»Ja, also … Was halten Sie davon, wenn ich hier übernachte? Zu Ihrer Sicherheit.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Wohnzimmer. »Wie ich sehe, haben Sie noch die alte Couch.«
»Stimmt. Aber darauf können Sie nicht schlafen. Haben Sie zufällig mal daran gerochen? Die ist total verrottet.«
»Wenn Sie noch ein paar Decken haben, lege ich mich auf den Boden. Also, was meinen Sie?«
Katja strich sich eine Strähne hinters Ohr. Wenn sie in sich hineinhorchte, musste sie zugeben, dass sie über das Angebot erleichtert war. Für Einbrecher wäre sie hier draußen tatsächlich leichte Beute. Jedes Kind könnte sie in dieser Einsamkeit überwältigen. Nachdem Reuter ihr diesbezüglich ins Gewissen geredet hatte, war sie schon drauf und dran gewesen, ihren Auszug aus dem Resort zu bereuen. Stimmte es denn, was Reuter sagte? Lauerte auf Papua wirklich an jeder Ecke Gefahr? Sie konnte aber doch nicht auf Dauer in einem Hotel wohnen, wenn sie vorhatte, in Papua zu leben.
»Gut«, sagte sie und klang trotz ihrer Müdigkeit entschlossen. »Irgendwo muss ich noch ein zweites Kopfkissen haben.« Sie machte Anstalten aufzustehen, doch Lambert legte sachte seine Hand auf die ihre.
»Lassen Sie nur. Ich brauche nichts. Vorausgesetzt, es gibt einen Kaffee morgen früh. Den haben Sie doch, oder?«
Katja lächelte. »Klar.«
Sie sah ihm in die Augen, doch es war schon zu dunkel, um zu erkennen, was er wirklich dachte. Katja stand auf.
»Lassen Sie uns schlafen gehen. Mir fallen die Augen beim Reden zu.«
In dieser Nacht schlief Katja tief und fest. Nur einmal wachte sie kurz auf, als ein ungewohntes Geräusch sie weckte. Als sie feststellte, dass es nur Lambert war, der leise vor sich hin schnarchte, kuschelte sie sich erneut in ihr Laken und schlief gleich wieder ein.
Die Tage vergingen wie im Flug. Wie lange war sie schon hier? Vier Wochen, fünf? Katja besaß nun ein Prepaidhandy, und Takari hatte einen gebrauchten Holden Barina für sie aufgetrieben. Der Preis erschien ihr zwar überteuert, denn der Kleinwagen rostete bereits an einigen Stellen, und die Schaltung klemmte mitunter, doch ohne Auto hätte sie nicht auf Kuradui bleiben können. Eine öffentliche Verkehrsanbindung nach Kokopo gab es nämlich nicht. Takari hatte sich angeboten, für die nächsten zwei Wochen bei ihr zu wohnen, denn die gewünschte Haushaltshilfe hatte sie noch nicht gefunden.
»Gibt das denn kein dummes Gerede in Ihrem Dorf?«, hatte sie ihn besorgt gefragt, doch Takari konnte sie beruhigen:
»Und wenn schon! Das ist nur Neid, denn etwas Besseres, als bei Weißen angestellt zu sein, kann sich kein Papua vorstellen. Aber bilden Sie sich darauf nichts ein! Es geht nur ums Geld.«
Katja musste lächeln. Es war tatsächlich nicht wenig, was Takari für seine Dienste verlangte. Als sie sich schließlich einig geworden waren, quartierte er sich gleich im Wohnzimmer ein, wo er auf einer geflochtenen Matte auf dem Boden schlief.
Mit jedem neuen Tag fühlte sich Katja etwas sicherer. Ohne fremde Hilfe hatte sie in den darauffolgenden zwei Tagen einen Kühlschrank erworben, eine Quelle für Weißwein aus Neuseeland aufgetan und sich aus der bescheidenen Stadtbücherei mit Literatur über Papua versorgt. Nachdem die erste Enttäuschung über den unspektakulären Brieffund abgeklungen war, entzündete sich Katjas Interesse an Phebe aufs Neue. Wie hat Phebe einst auf Kuradui gelebt? Wie spielte sich der Alltag in der deutschen Kolonie ab?
Gleich an ihrem ersten Arbeitstag im St. Mary’s gab es so viel zu tun, dass Katja gar keine Gelegenheit hatte, sich zu fragen, ob sie etwas falsch machen könnte. Für eine förmliche Einarbeitung in ihrem neuen Bereich blieb sowieso keine Zeit. Katja stellte schnell fest, dass Dr. Sepuk recht gehabt hatte, was die Herausforderungen des Klinikalltags anging. Das Team um Dr. Lambert erwies sich als wahrer Meister in Sachen Improvisation. Die fünf Ärzte und fünfzehn Schwestern hatten lernen müssen, mit den einfachsten Mitteln die kompliziertesten Operationen durchzuführen. Katja lief ein Schauder über den Rücken, als Lambert ihr
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