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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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der mit Schankstubentischen und -bänken bestückt war. Es roch nach ranzigem Fett und verdorbenen Lebensmitteln. Auf einem Tisch an der Wand waren ungefähr drei Dutzend Holzschüsseln aufgereiht. Die Schüsseln waren klein, und die meisten von ihnen zeigten Spuren jahrelangen Gebrauchs.
    «Riechst du das?», wandte sich Gustelies an Jutta.
    Diese nickte. «Wäre das ein Gasthaus, ich würde schleunigst das Weite suchen.»
    «Was gab es denn zum Frühstück?», wollte Gustelies wissen.
    Vater Raphael zuckte mit den Achseln. «Was soll es schon gegeben haben? Mandelmilch und Honigplätzchen.» Er lachte keckernd, doch dann wurde sein Gesicht ernst, und die Augen in dem Pferdeschädel funkelten bösartig. «Was meint Ihr, was das hier ist? Die Messeherberge der Fugger? Bei uns gibt es am Morgen Hafergrütze. Die ist nahrhaft und gesund.»
    Jutta nickte und schnupperte noch einmal gründlich in der Luft. «Riecht aber nicht so», stellte sie fest. In diesem Augenblick erschien die Frau in der Tür, die Gustelies und Jutta bereits von ihrem ersten Besuch kannten. Ihr Gesicht war zugesperrt wie ein Weinkeller, die Lippen ein schmaler Strich. Sie sah zu Raphael. Der Mann nickte ihr kurz zu, und die Frau verschwand.
    «Euer Weib?», wollte Jutta wissen.
    Raphael nickte.
    «Wie viele Leute arbeiten noch hier im Findelhaus?»
    «Niemand weiter. Nur wir beide. Habt Ihr sonst noch Fragen?»
    Jutta hatte bereits den Mund aufgeklappt, doch Gustelies trat ihr auf den Fuß und schob sie zur Seite. «Nein. Zum Essen der Kinder nicht mehr.»
    Vater Raphael scheuchte die beiden Frauen aus dem Saal. «Wollt Ihr sehen, wo die Kinder schlafen?»
    Er stieg vor den Frauen eine schmale Treppe hinauf, die in das obere Geschoss führte. «Hier», blaffte er und riss eine Tür auf. Dahinter befand sich ungefähr ein Dutzend Strohlager. Auf manchen lagen Decken, auf anderen nicht. Ein Geruch nach Schweiß, Angst und Exkrementen erfüllte die Luft.
    «Hier schlafen die Kinder?» Gustelies schüttelte den Kopf. «Warum haben manche Decken und andere nicht?»
    Vater Raphael räusperte sich. «Die Kinder haben ihre Eltern verloren. Manche nehmen sich die Decken als Ersatz und gehen nirgendwohin ohne sie. Ich wette, die fehlenden Decken sind jetzt alle beim Gottesdienst. Habt Ihr genug gesehen?»
    Gustelies nickte und sah zu Jutta. Die stand im Flur, hatte die Augen ein wenig zusammengekniffen und lauschte angestrengt.
    «Haben wir alles gesehen?», fragte Gustelies noch einmal und stieß ihre Freundin in die Seite.
    «Was ist eigentlich in den anderen Räumen hier oben?», fragte Jutta und bemühte sich, ihrer Stimme einen beiläufigen Klang zu geben.
    «Nichts von Interesse. Lager für Kleidung und Decken, Kerzen und Öl. Ein bisschen Spielzeug, damit die Kinder ein Geschenk haben, wenn ihr Namenstag ist.»
    «Das ist sehr fürsorglich von Euch.» Jutta schenkte Vater Raphael ein Lächeln von der Sorte, wie sie es normalerweise für Leute übrig hatte, die sie gerade betrügen wollten. «Eine letzte Frage habe ich allerdings noch, Vater. Wie viele Neugeborene habt Ihr derzeit hier? Und wann sind die zu Euch gekommen?»
    Vater Raphael runzelte die Stirn. «Ihr habt die Schlafkammer gesehen.»
    «Ja, das haben wir. Und uns ist aufgefallen, dass nicht eine Wiege im Raum steht. Keine Wiege, kein Korb, nichts, worin ein Neugeborenes schlafen könnte.»
    «Das liegt daran, dass wir derzeit keine Neugeborenen haben. Unser jüngstes Kind, ein Mädchen, ist vier Jahre alt.»
    Gustelies zog ein erstauntes Gesicht. «Keine Neugeborenen? Nicht ein einziges? Aber vorhin sagtet Ihr … Merkwürdig. Es ist Winter. Ich dachte stets, zu dieser Zeit nimmt die Zahl der Ausgesetzten zu.»
    Vater Raphael wich Gustelies’ Blick aus. Seine Augen huschten durch den düsteren Korridor. Dann breitete er die Arme aus. «Also gut. Unser Pfarrer Küttler, der Evangelische, der Richtige, er brachte neulich einen Säugling, den er auf der Kirchenschwelle gefunden hat.»
    «Aha. Und wo ist der Säugling jetzt?» Gustelies musste an sich halten, um nicht die Fäuste in die Seite zu stemmen.
    «Nach zwei Tagen hat er das Kleine wieder bei uns abgeholt. Ein kinderloses Ehepaar hatte sich gefunden, die es aufziehen wollten.»
    Gustelies kniff die Augen zusammen, während Jutta wieder ihr wölfisches Lächeln zeigte. «Ein Gottesglück für das Kleine.»
    «Ihr sagt es, gute Frau. Aber so ist es meistens. Neugeborene sind eine Seltenheit in unserem Haus. Es finden sich fast immer

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