Die Vergessene Welt
der
Meere, dem Auftauchen von Sandbänken, dem schleimigen
Leben, das an ihren Rändern klebte, von Lagunen und dem
Trieb der Meeresbewohner, auf Schlammablagerungen
Zuflucht zu suchen, von der Überfülle von Nahrung, die
vorhanden war und ihr schnelles Wachstum begünstigte.
»Und so, meine Damen und Herren«, fügte er hinzu,
»entstand jene furchterregende Gattung von Sauriern, die uns
heute noch Schrecken einjagt, wenn wir sie im Wealdener oder
Solnhofener Schiefer sehen, die jedoch glücklicherweise vor
dem ersten Erscheinen der Menschheit auf diesem Planeten
ausgestorben ist.«
»Irrtum!« dröhnte eine Stimme vom Podium.
Mr. Waldron war ein Mann von strenger Disziplin und –
wie am Beispiel des jungen Zwischenrufers bewiesen –
beißendem Spott. Ihn zu unterbrechen, war gefährlich. Diese
Unterbrechung jedoch, dieser Zwischenruf war für ihn so
absurd, daß er völlig perplex war. Es hatte ihm buchstäblich
die Rede verschlagen. Nach einem Moment jedoch hatte er
sich wieder gefangen.
»Welche jedoch vor dem ersten Erscheinen der Menschheit
ausgestorben sind«, wiederholte er mit erhobener Stimme.
»Irrtum!« dröhnte die Stimme erneut.
Verwundert sah Waldron an der Reihe von Professoren auf
dem Podium entlang, bis sein Blick auf Challenger geheftet
war, der mit geschlossenen Augen und einem amüsierten
Lächeln auf seinem Stuhl lehnte.
»Ach so«, sagte Waldron und zuckte die Achseln. »Mein
besonderer Freund, Professor Challenger.«
Alles lachte.
Als sei damit alles erklärt, fuhr der Referent in seinem
Vortrag fort.
Aber damit war die Angelegenheit noch lange nicht erledigt.
Welchen Pfad Waldron auch wählte, um sich durch das
Labyrinth der Vergangenheit zu schlängeln, er kam
unweigerlich immer wieder zu einem Punkt, wo er eine
Bemerkung über ausgestorbenes, prähistorisches Leben machte
und prompt dröhnenden Protest von Seiten des Professors
erntete. Die Hörer warteten schon darauf und brüllten jedesmal
vor Lachen. Es kam so weit, daß die Studenten im Chor
›Irrtum‹ schrien, wenn Challenger bloß den Mund aufmachte.
Sein Zwischenruf wurde von Hunderten von Kehlen übertönt,
was ihn allerdings nicht weiter zu stören schien.
Obwohl Waldron ein erfahrener, hartgesottener Redner
war, geriet er mit der Zeit völlig aus dem Konzept. Er wurde
unsicher, stotterte, wiederholte sich, verhedderte sich
grammatikalisch und ging schließlich auf den Störenfried los.
»Das geht nun wirklich zu weit!« rief er. »Ich muß Sie
bitten, Professor Challenger, Ihre unpassenden und
ungezogenen Bemerkungen für sich zu behalten.«
Im Saal wurde es mäuschenstill. Die Studenten waren starr
vor Begeisterung. Die unnahbaren Götter des Olymp keiften
sich gegenseitig an, und das war ein einmaliges Schauspiel.
Challenger quälte sich langsam in die Höhe.
»Und ich muß Sie bitten, Mr. Waldron«, sagte er,
»Behauptungen für sich zu behalten, die im krassen Gegensatz
zu wissenschaftlichen Tatsachen stehen.«
Jetzt war die Hölle los.
»Unerhört … rausschmeißen … Ruhe … runter vom
Podium … hört, hört!«
Alles schrie und lachte durcheinander.
Der Dekan der Fakultät sprang von seinem Stuhl auf,
fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und bat um Ruhe
und Ordnung. Als er sich endlich Gehör hatte verschaffen
können, forderte er Professor Challenger auf, persönliche
Ansichten nach der Vorlesung anzubringen, aber nicht jetzt.
Professor Challenger verbeugte sich, lächelte, strich sich
über den Bart und nahm wieder Platz.
Waldron fuhr in seinem Vortrag fort. Wenn ihm eine
kritische Behauptung entschlüpfte, bedachte er Challenger
sofort mit einem ängstlichen Blick, doch dieser saß lächelnd
und schweigend auf seinem Stuhl und schien zu schlafen.
Schließlich erreichte der Vortrag seinen, wie ich meine,
etwas verfrühten Abschluß. Der letzte Teil seiner Rede war
jedenfalls hastig und zusammenhanglos in den Saal geworfen.
Jetzt warteten die Hörer darauf, daß etwas passierte. Waldron
nahm Platz, der Dekan sprach ein paar Worte, und schließlich
erhob sich Professor Challenger und trat hinter das Rednerpult.
Im Interesse meiner Zeitung hielt ich seine Rede wörtlich fest.
Hier die Abschrift meines Protokolls:
»Meine Damen und Herren …«
Unruhe und Lärm in den hinteren Reihen.
»Meine Damen, meine Herren – liebe Kinder, verzeihen Sie,
daß ich eben nicht die gesamte Zuhörerschaft begrüßt habe.«
Gelächter. Der
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