Die Vergessene Welt
Professor nickt freundlich und hebt die
Hand, als wolle er dem Saal den päpstlichen Segen erteilen.
»Ich wurde dazu auserkoren, Mr. Waldron ein Wort des
Dankes für den phantasievollen und bildhaften Vortrag
auszusprechen, den wir eben hören durften. Es gibt Punkte, in
denen ich mit Mr. Waldron nicht konform gehe, und ich habe
es für meine Pflicht gehalten, jeweils meine Bedenken
anzumelden. Mr. Waldron hat seine Aufgabe aber dessen
ungeachtet gut gelöst – vorausgesetzt, daß diese Aufgabe darin
bestand, einen einfachen, interessanten Bericht davon zu geben,
was er für die Geschichte, die Entwicklungsgeschichte unseres
Planeten hält. Populärwissenschaftliche Vorlesungen strengen
weder den Redner noch den Zuhörer an, aber Mr. Waldron wird
mir verzeihen …« – ein Lächeln –, »wenn ich sage, daß sie
deshalb nicht oberflächlich sein und auf ein niedriges Niveau
gebracht werden müssen.«
Spöttischer Beifall.
»Menschen, die populärwissenschaftliche Vorträge halten,
sind von Haus aus Parasiten.«
Gesten des Protests von Waldron.
»Sie
bedienen
sich
der
hart
erarbeiteten
Forschungsergebnisse ihrer Kollegen, um sich finanziell zu
bereichern oder zu Ruhm und Ehre zu kommen. Eine winzig
kleine Erkenntnis, im Labor gewonnen, ein Baustein, in den
Tempel der Wissenschaft gemauert, sind viel mehr wert als
irgendein Vortrag aus zweiter Hand, der allenfalls die Zeit
vertreibt, dessen Ergebnis jedoch gleich Null ist. Ich sage das
nicht etwa, weil ich Mr. Waldron runtermachen will, sondern
weil ich es für nötig halte, Sie darauf aufmerksam zu machen,
daß richtige Maßstäbe angesetzt werden müssen, wenn man
nicht den Meßdiener mit dem Hohepriester verwechseln will.«
Mr. Waldron flüstert dem Dekan der Fakultät etwas zu,
dieser steht auf und richtet einige tadelnde Worte an die
Karaffe.
»Aber genug davon.«
Lauter, anhaltender Beifall.
»Kommen wir zu einem Thema, das interessanter sein
dürfte. Welche spezielle Aussage hat mich, den gewissenhaften
Forscher,
dazu
veranlaßt,
die
Glaubwürdigkeit
beziehungsweise das Wissen unseres Redners in Frage zu
stellen? Die Aussage, daß gewisse Arten tierischen Lebens auf
diesem Planeten ausgestorben seien. Ich bin, was den
Fortbestand gewisser Tierarten anbelangt, beileibe kein
Amateur, noch bin ich einer dieser Populärwissenschaftler, der
seine Hörer fesseln will. Ich bin ein Mensch, dessen
wissenschaftlicher Ethos ihn dazu veranlaßt, sich strikt an die
Tatsachen zu halten, und behaupte, daß Mr. Waldron im
Irrtum ist, wenn er meint, es könne keine sogenannten
prähistorischen Tiere mehr geben. Die Tatsache, daß er noch
nie eines gesehen hat, ist kein Beweis. Diese Tiere sind
tatsächlich – das hat Mr. Waldron richtig erkannt – unsere
Vorfahren, aber ich möchte sagen, sie sind zeitgenössische
Vorfahren, die mit all ihren abscheulichen und furchterregenden
Charakteristiken auch heute noch zu finden sind – wenn man
die Energie aufbringt und nicht die Anstrengung scheut, ihre
Schlupfwinkel aufzusuchen. Man schrieb diese Kreaturen
allgemein dem Jurazeitalter zu und hielt sie durch Jahrhunderte
hindurch für völlig ausgestorben, doch sie existieren.«
Protestrufe: Quatsch, erst einmal beweisen, woher wollen
Sie das wissen, infame Lüge!
»Woher ich das wissen will?« Kunstpause und
schweifender Blick über die Köpfe der Hörer hinweg. »Ich weiß
es, weil ich ihre geheimen Schlupfwinkel aufgesucht habe.«
Beifall.
»Lügner!« Eine Stimme aus dem Publikum.
»Hat mich da gerade jemand einen Lügner genannt?«
Erstaunter Blick. »Würde derjenige, der mich einen Lügner
genannt hat, gefälligst aufstehen und sich zu erkennen
geben?«
»Hier ist er, Sir!«
Tumult in einer der letzten Reihen. Ein schmächtiger junger
Mann mit Brille wird von einer Gruppe von Studenten in die
Höhe gehoben. Zappelt und wehrt sich.
»Sie haben es gewagt, mich einen Lügner zu nennen?«
Donnerstimme.
»Nein, Sir!« Der Student verschwindet wieder nach unten.
Challenger bläht den Brustkorb. »Wenn jemand hier in
diesem Hörsaal es wagen sollte, an der Glaubwürdigkeit
meiner Worte zu zweifeln, würde ich nach Abschluß der
Veranstaltung gern ein Wörtchen mit dem Betreffenden
reden.«
»Lügner!«
Wieder wird der schmächtige Student mit Brille
hochgehoben.
»Ich komme gleich zu euch rauf!« Challenger droht mit der
Faust.
Im Chor: »Komm, Süßer, komm!«
Unterbrechung. Dekan steht
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