Die Vergessene Welt
gleichen – Ataea und Ipetu heißen sie –, die Professor
Challenger auf seiner ersten Reise begleitet haben. Die
Aussicht, noch einmal mitgehen zu müssen, schien sie sehr zu
erschrecken, aber in diesen Gegenden übt der Häuptling
patriarchalische Gewalt aus. Wenn er einen Handel für gut
findet, wird der Stammesangehörige nicht lange nach seiner
Meinung gefragt.
Und so werden wir morgen ins Ungewisse aufbrechen.
Diesen Bericht gebe ich einem stromabwärts fahrenden Kanu
mit. Er ist vielleicht für diejenigen, die an unserem Schicksal
Anteil nehmen, ein letztes Lebenszeichen. Entsprechend
unserer Vereinbarung habe ich ihn wieder an Sie adressiert,
lieber Mr. McArdle, und ich überlasse es ganz Ihrem Urteil,
Streichungen, Änderungen oder was Ihnen sonst angebracht
erscheinen mag, daran vorzunehmen.
Durch Professor Challengers zuversichtliche Art – und aller
Skepsis Professor Summerlees zum Trotz – bin ich felsenfest
davon überzeugt, daß unser Expeditionsleiter seine
Behauptungen beweisen wird und daß wir tatsächlich am
Vorabend bedeutsamer Erlebnisse stehen.
#8
Der erste Ausblick auf die neue Welt
§
Unsere Freunde daheim dürfen sich mit uns freuen, denn wir
sind am Ziel und haben wenigstens bis zu einem gewissen
Grade feststellen können, daß Professor Challengers
Behauptungen beweisbar sind. Zwar haben wir bisher das
Plateau noch nicht zu ersteigen vermocht, aber es liegt vor
uns, und sogar Professor Summerlee ist inzwischen etwas
kleinlauter geworden. Das bedeutet nicht etwa, daß er auch nur
für einen Augenblick zugäbe, sein Rivale könne im Recht sein,
aber er ist immerhin weniger beharrlich in seinen ewigen
Einwänden und bewahrt größtenteils ein nachdenkliches
Schweigen.
Ich will jedoch der Reihe nach berichten und meine
Aufzeichnungen dort fortsetzen, wo ich sie abgebrochen habe.
Wir schicken einen unserer hiesigen Indianer, der sich verletzt
hat, zurück, und ich vertraue ihm diesen Brief an, wenn auch
mit
erheblichen
Zweifeln,
ob
er
jemals
seinen
Bestimmungsort erreichen wird.
Als ich das letztemal schrieb, waren wir im Begriff, das
Indianerdorf, bei dem die Esmeralda uns abgesetzt hatte, zu
verlassen. Ich muß diese Fortsetzung mit einer schlechten
Nachricht beginnen: Die erste schwere persönliche
Auseinandersetzung – wenn man von den ständigen Reibereien
zwischen den beiden Professoren absieht – hat sich an diesem
Abend ereignet und hätte leicht ein schlimmes Ende nehmen
können. Ich habe von unserem englisch sprechenden Halbblut,
Gomez, berichtet, einem tüchtigen Arbeiter und willigen
Burschen, der aber, wie fast alle diese Leute, äußerst neugierig
zu sein scheint. An jenem Abend hatte er sich in der Nähe der
Hütte, in der wir unsere Beratungen abhielten, versteckt. Er
wurde dabei von Zambo, unserem treuen Neger, erwischt,
hervorgezerrt und zu uns geschleppt. Gomez riß das Messer aus
dem Gürtel, aber der kräftige Zambo entwaffnete ihn, bevor er
zustechen konnte. Die Angelegenheit ist mit Verwarnungen
einstweilen beigelegt worden, die beiden wurden gezwungen,
sich die Hand zu reichen, und somit besteht Hoffnung, daß
sich alles wieder einrenkt.
Was die Fehden der beiden Gelehrten betrifft, so lassen sie
an Ausdauer und Bitterkeit nichts zu wünschen übrig. Man
muß zugeben, daß Challenger sich in höchstem Maße
herausfordernd benimmt, auf der anderen Seite aber hat
Summerlee eine überaus spitze Zunge und macht damit alles
noch viel schlimmer.
Am vergangenen Abend sagte Challenger zum Beispiel, er
gehe deshalb so ungern am Ufer der Themse spazieren, weil er
keine Lust habe, seine letzte Ruhestätte vor Augen zu haben.
Gemeint hat er damit Westminster Abbey, die Kirche, in der
viele bedeutende Engländer beigesetzt werden.
»Ich denke, das Millbank-Gefängnis ist schon längst
abgerissen«, hatte Professor Summerlee prompt mit einem
giftigen Lächeln entgegnet.
Challengers Selbstbewußtsein ist durch nichts zu
erschüttern, also hat ihn die Antwort auch nicht geärgert.
»So, so – abgerissen«, sagte er, und das in einem Ton, als
habe er ein etwas störrisches Kind vor sich.
Sie sind beide Kinder – der eine ist verknöchert und
zänkisch, der andere furchteinflößend und tyrannisch. Dabei
haben beide ein Gehirn, das allen Wissenschaftlern Europas
größten Respekt einflößt. Verstand, Charakter und Seele –
wie unterschiedlich diese drei entwickelt sein können, lernt
man
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