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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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ich.
    »Scheinen Trommeln zu sein«, sagte Lord John.
    »Kriegstrommeln. Ich habe sie schon mal gehört.«
    »Ja, Sir, Kriegs trommeln«, sagte Gomez, der Mestize.
    »Wilde Indianer, Krieger, keine friedlichen Stämme. Sie
    beobachten uns und wollen uns umbringen.«
    »Sie beobachten uns?« wiederholte ich. »Wie denn?«
    Ich spähte durch die dunkle, unbewegte Leere um uns
    herum.
    Der Mestize hob die Schultern. »Die Indianer wissen
    Bescheid. Sie haben ihre Methoden. Mit den Trommeln
    verständigen sie sich. Sie wollen uns töten.«
    Am
    Nachmittag
    jenes
    Tages
    –
    nach
    meinem
    Taschenkalender war es Dienstag, der 18. August – dröhnten
    wenigstens sechs oder sieben Trommeln aus verschiedenen
    Richtungen. Zuweilen schlugen sie rasch, zuweilen langsam,
    manchmal in offensichtlicher Frage und Antwort. Eine, weit im
    Osten, brach in ein schnelles Stakkato aus, dem nach einer
    Pause ein tiefer Wirbel aus Norden folgte. Etwas
    unbeschreiblich Zermürbendes und Drohendes lag in diesem
    unaufhörlichen Dröhnen, doch nirgends war jemand.
    »Wir töten euch!« dröhnte es. »Wir töten euch! Wir töten
    euch!«
    Die Gesichter unserer farbigen Begleiter wurden immer
    ängstlicher, und selbst der abgebrühte, oft wichtigtuerische
    Gomez war eingeschüchtert, während ich an diesem Tag zum
    ersten- und ein für allemal begriff, daß sowohl Summerlee als
    auch Challenger von derselben merkwürdigen Tapferkeit
    beseelt waren, nämlich der Tapferkeit der Forscherseele. Die
    Natur hat es voll Barmherzigkeit so eingerichtet, daß das
    menschliche Gehirn nicht zwei Dinge auf einmal denken kann
    und somit kein Raum für persönliche Betrachtungen bleibt,
    wenn die wissenschaftliche Neugier Einzug gehalten hat.
    Inmitten des bedrohlichen Trommelns, das aus allen
    Himmelsrichtungen auf uns eindrang, beobachteten unsere
    beiden Professoren jeden Vogel, den sie erspähen konnten, und
    jeden Busch am Rande des Ufers. Und gleichzeitig stritten sie,
    wie sie es immer taten, über alle möglichen wissenschaftlichen
    Nebensächlichkeiten. Man hätte meinen können, sie hätten sich
    nur aus einem Grund zusammen auf Expedition begeben: um
    einmal rund um die Uhr streiten zu können.
    Lediglich ein einziges Mal fielen ein paar Worte über die
    Trommeln um uns herum.
    »Entweder Miranha- oder Amajuaca-Kannibalen«, meinte
    Challenger beiläufig und deutete mit dem Daumen in das
    Gewirr von Schlingpflanzen.
    »Könnte stimmen«, entgegnete Professor Summerlee.
    »Höchstwahrscheinlich
    mongolid,
    sprechen
    einen
    polysynthetischen Dialekt, nehme ich an.«
    »Was denn sonst?« knurrte Professor Challenger und
    lächelte herablassend. »Auf dem ganzen Kontinent existiert
    keine andere Sprache, wenn ich richtig informiert bin, und das
    bin ich, weil ich Aufzeichnungen besitze, die beweisen, daß
    über hundert Dialekte von ihr abgeleitet sind. Das mit dem
    mongoliden Typus allerdings wage ich zu bezweifeln.«
    »Dabei sollte man doch meinen«, entgegnete Professor
    Summerlee giftig, »daß bereits die elementarsten Kenntnisse
    in Vergleichender Anatomie ausreichen, um es eindeutig zu
    bestätigen.«
    Challenger schob Kinn und Bart angriffslustig nach vorn.
    »Die elementarsten Kenntnisse schon«, sagte er. »Verfügt man
    jedoch über wirklich fundiertes Wissen auf diesem Gebiet, so
    kommt man zu völlig anderen Schlußfolgerungen, mein lieber
    Herr Kollege.«
    Die beiden Gelehrten sahen sich mit herausfordernden
    Blicken an, während die Trommeln ohne Unterlaß ihre
    Todesdrohungen durch den Dschungel sandten.
    In dieser Nacht verankerten wir unsere Kanus in der Mitte
    des Flusses mit schweren Steinen und trafen Vorkehrungen
    gegen einen eventuellen Angriff. Es ereignete sich jedoch
    nichts, und so setzten wir beim Anbruch des Tages unsere
    Reise fort. Langsam erstarb das Trommeln hinter uns.
    Gegen drei Uhr nachmittags kamen wir zu einer steilen
    Stromschnelle, die sich über eine Meile hinzog. Genau hier hatte
    Professor Challenger vor zwei Jahren Schiffbruch erlitten und
    sein kostbares Beweismaterial verloren. Beim Anblick dieses
    Streckenabschnitts
    empfand
    ich
    einen
    Anflug
    von
    Genugtuung, muß ich gestehen, denn hier schienen wir auf den
    ersten sicheren Beweis gestoßen zu sein, der für die
    Glaubwürdigkeit Professor Challengers sprach.
    Die Indianer schleppten Kanus, Ausrüstung und Proviant
    durch das schier undurchdringliche Unterholz, während wir
    vier Weißen das Gewehr schußbereit hielten, um ihnen bei
    einem

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