Die Vergessene Welt
Landschaft ist weitgehend
vulkanischen Ursprungs. Ich nehme an, daß das Plateau zu
seiner Mitte hin abschüssig ist und sich dort ein großes
Wasserbecken befindet, das einen unterirdischen Ablauf hat,
der sich möglicherweise in den Jaracara-Sumpf ergießt.«
»Oder der Ausgleich geschieht durch Verdunstung«, sagte
Challenger, woraufhin die beiden Gelehrten innerhalb von
Sekunden in eine ihrer üblichen wissenschaftlichen
Diskussionen verwickelt waren, bei denen Lord John und ich
passen mußten.
§
Am sechsten Tag hatten wir den Rundmarsch um das
Felsplateau hinter uns und erreichten wieder unseren
Lagerplatz an der freistehenden Felsenzinne. Wir hatten das
Gelände mit einer Genauigkeit durchforscht, die nicht zu
überbieten war, hatten aber nirgends eine Stelle entdecken
können, an der ein Aufstieg möglich gewesen wäre, und dieses
Ergebnis war mehr als deprimierend. Und durch die Schlucht
einzusteigen, wie es Maple White offensichtlich getan hatte,
das kam nicht in Frage – darüber waren wir uns einig.
Was sollten wir tun? Über unsere Vorräte an Proviant
machten wir uns zu dem Zeitpunkt noch keine Gedanken. Wir
hatten auf unserem Weg alles Genießbare erlegt, was uns vor
den Lauf unserer Flinten gekommen war, und hatten dadurch
wenig Konserven verbraucht. Trotzdem würde der Tag
kommen, wo auch diese zur Neige gingen. Dazu kam, daß in
sechs bis acht Wochen die Regenzeit beginnen und unser
Lager wegschwemmen würde. Der Felsen war hart wie
Marmor, und wir versuchten nicht einmal, Stufen
hineinschlagen zu wollen. Weder die Zeit noch unsere Geräte
reichten aus, auf diese Weise die Felsen bezwingen zu wollen.
Kein Wunder also, daß an jenem Abend die Stimmung auf
den Nullpunkt gesunken war und wir in unsere Decken
krochen, ohne viel gesprochen zu haben.
Als mir die Augen zufielen, saß Professor Challenger noch
am Feuer und war tief in Gedanken versunken. Er hatte nicht
einmal mit dem Kopf genickt, als ich ihm eine gute Nacht
gewünscht hatte. Wahrscheinlich hatte er es gar nicht gehört.
Am nächsten Morgen jedoch war er wie verwandelt. Er war
die Zufriedenheit und Zuversicht in Person. Beim Frühstück
mimte er den Mann, der sich ständig in Bescheidenheit übt,
aber sein energisch nach vorn gerecktes Kinn, die geschwellte
Brust bewiesen, daß der Schein trog.
Wie Napoleon steckte er eine Hand in seine Jacke und sah
uns herausfordernd an. »Meine Herren«, sagte er. »Sie können
mir gratulieren, und wir können uns gegenseitig
beglückwünschen. Das Problem ist gelöst.«
»Heißt das, daß Sie eine Möglichkeit gefunden haben, auf
das Plateau zu kommen?«
»Jawohl – das heißt es.«
»Und wie?«
Wortlos
deutete
Professor
Challenger
auf
die
kirchturmartige Felszinne, an deren Fuß wir kampierten.
Wir blickten an ihr hoch, und unsere Gesichter wurden
länger und länger. Der Fels mochte tatsächlich zu erklimmen
sein, aber zwischen ihm und der Felswand gähnte ein
unüberwindbarer Abgrund.
»Da kommen wir doch nie rüber«, sagte ich.
»Aber rauf können wir erst einmal«, sagte der Professor.
»Und wenn wir droben sind, dann kann ich Ihnen vielleicht
beweisen, daß ein erfinderischer Geist Unmögliches möglich
machen kann.«
Nach dem Frühstück wurde Professor Challengers
Kletterausrüstung ausgepackt. Ein starkes, leichtes Seil von
hundertfünfzig Fuß Länge, Steigeisen, Haken und anderes
Gerät kamen zum Vorschein.
Lord John war ein erfahrener Bergsteiger, und auch
Professor Summerlee hatte schon so manche schwierige
Gebirgstour hinter sich, womit ich der einzige war, der keine
Erfahrung auf diesem Gebiet hatte und sich lediglich auf seine
Kondition und Geschicklichkeit verlassen mußte.
So schwierig war es eigentlich gar nicht, wobei es jedoch
Momente gegeben hat, wo mir die Haare zu Berge gestanden
sind. Die erste Hälfte war problemlos, doch dann wurde der
Felsen immer steiler, bis wir uns bei den letzten fünfzig Fuß
buchstäblich mit Fingern und Zehen an winzigen Vorsprüngen
und Spalten festklammern mußten. Wenn Challenger den
Gipfel nicht erreicht und dort das Seil an den Stamm des
Baumes befestigt hätte, wären Professor Summerlee und ich kurz
vor dem Ziel hängen geblieben. Doch mit Hilfe des Seils gelang
es uns, das letzte Stück Steilwand zu überwinden, und so
standen auch wir schließlich auf der kleinen, grasbewachsenen
Fläche von höchstens fünfundzwanzig Fuß Durchmesser.
Der Ausblick über
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