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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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das Land, das wir durchquert hatten, war
    ungemein überwältigend. Die ganze brasilianische Ebene
    schien unter uns zu liegen und sich bis ins Unendliche
    auszudehnen, bis sie sich schließlich am Horizont in blauen
    Dunst auflöste. Im Vordergrund der langgestreckte, mit
    Felsbrocken und Baumfasern gespickte Hang, im Mittelfeld,
    noch eben über dem Rücken des Hügels sichtbar, das
    Bambusdickicht, durch das wir uns gearbeitet hatten. Dahinter
    wurde die Vegetation immer reicher, bis sie sich schließlich
    zum Urwald verdichtete, der sich so weit erstreckte, wie das
    Auge reichte.
    Fasziniert betrachtete ich dieses Panorama, als mir plötzlich
    Professor Challenger eine Hand auf die Schulter legte.
    »Umdrehen, junger Mann«, sagte er. »Nie zurückblicken,
    sondern immer nach vorn auf das glorreiche Ziel.«
    Ich drehte mich um und fand mich auf gleicher Höhe mit der
    Oberkante des Plateaus. Die grüne Fläche aus Gebüsch und
    vereinzelten Bäumen war so nah, daß es unbegreiflich schien,
    wie unerreichbar dieses Land nach wie vor für uns war, doch an
    die vierzig Fuß trennten uns davon. Ich hielt mich an dem
    Baumstamm fest und beugte mich über den Abgrund. Tief
    unter mir die Gestalten unserer Lastenträger. Sie blickten zu
    uns herauf. Die Wand unter mir fiel senkrecht ab, genau wie
    die Klippen gegenüber.
    »Das ist wirklich sehr, sehr merkwürdig«, sagte Professor
    Summerlee mit knarrender Stimme.
    Ich drehte mich um und sah, daß er mit großem Interesse
    den Baum betrachtete, an dem ich mich festhielt. Die glatte
    Rinde und die gerippten Blätter kamen mir bekannt vor.
    »Wenn das keine Buche ist«, rief ich, »war meine ganze
    Schulzeit umsonst.«
    »War sie nicht«, sagte Professor Summerlee. »Eine alte
    Bekannte in einem fremden Land.«
    »Nicht nur das, mein Lieber«, sagte Professor Challenger,
    »sondern gleichzeitig eine Verbündete – wenn ich mich einmal
    so ausdrücken darf. Diese Buche soll unser Problem lösen.«
    »Natürlich!« rief Lord John. »Eine Brücke.«
    »Genau – eine Brücke. Ich habe mir vergangene Nacht
    schließlich nicht umsonst den Kopf darüber zerbrochen, wie wir
    auf das Plateau kommen. Ich habe zu unserem jungen Freund
    hier einmal gesagt, daß der alte G.E.Ch. sich selbst übertrifft,
    wenn er vor einem angeblich unlösbaren Problem steht. Sie
    werden zugeben, daß wir gestern abend alle der Meinung
    waren, die Situation sei ausweglos. Aber wo Wille und
    Intellekt zusammenkommen, da gibt es immer eine Lösung.
    Die Schwierigkeit mußte überbrückt werden, im wahrsten
    Sinne des Wortes, und hier ist die Brücke.«
    Es war wirklich die rettende Idee. Der Baum hatte gut seine
    sechzig Fuß Höhe, und wenn er auf die richtige Seite stürzte,
    überbrückte er leicht den Abgrund. Beim Aufstieg hatte sich
    Professor Challenger die Axt über die Schulter gehängt, und
    jetzt drückte er sie mir in die Hand.
    »Unser junger Freund hier hat die nötige Kraft und
    Ausdauer«, sagte er. »Ich denke, er eignet sich am besten für
    diese Aufgabe. Und nun noch eine dringliche Bitte: stellen Sie
    ab sofort jedes selbständige Denken ab und tun Sie nur genau
    das, was ich Ihnen sage.«
    Unter seiner Anleitung schlug ich seitlich Kerben in den
    Baumstamm, der bereits von Natur aus eine Neigung zum
    Plateau hin hatte, wodurch praktisch garantiert war, daß er in
    die gewünschte Richtung stürzen würde.
    Ich kam ordentlich ins Schwitzen und nahm Lord Johns
    Angebot, sich mit mir abzuwechseln, gerne an. Nach etwa einer
    Stunde neigte sich der Baum vornüber, brach, stürzte und
    bohrte seine Äste in die Büsche auf der anderen Seite. Einen
    Moment lang dachten wir, es wäre alles umsonst gewesen,
    denn der Stamm rollte bis kurz vor den Rand der kleinen
    Felsplattform. Er blieb jedoch einige Zoll vor der Kante liegen,
    und so hatten wir unsere Brücke ins Unbekannte.
    Wortlos schüttelten wir einer nach dem anderen Professor
    Challenger die Hand, während dieser den Strohhut zog und
    sich vor jedem verbeugte.
    »Ich verlange, als erster hinüberzugehen«, sagte er. »Finden
    Sie nicht, daß dieser Moment auf einem Gemälde festgehalten
    werden müßte?«
    Der Professor setzte den Fuß auf den Stamm, aber Lord
    John hielt ihn zurück.
    »Das kann ich leider nicht zulassen, verehrter Professor«,
    sagte er.
    »Nicht zulassen?« wiederholte Challenger und reckte
    grimmig den Bart nach vorn.
    »Solange es sich um wissenschaftliche Dinge handelt, ordne
    ich mich Ihnen unter, das

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