Die Vergessene Welt
war zerrissen,
und sein großer Bart ging in das schwarze Gestrüpp auf
seiner Brust über. Den Hut hatte er verloren, und die Haare, die
auf unserer Reise tüchtig gewachsen waren, hingen ihm wild
ins Gesicht. Es sah aus, als ob ein einziger Tag genügt hätte,
um ihn in einen Wilden zu verwandeln.
Neben ihm stand sein Herr und Meister, der Anführer der
Affenmenschen. Er war, wie Lord John schon gesagt hatte, das
getreue Ebenbild unseres Professors, nur daß seine Hautfarbe
nicht weiß, sondern rot war. Die gleiche kurze, untersetzte
Gestalt, die gleichen massigen Schultern, die gleichen nach
vorn hängenden Arme, der gleiche struppige Bart, der bis auf
die haarige Brust fiel.
Nur oberhalb der Augenbrauen bildeten die flache Stirn und
der niedrige, runde Schädel des Affenmenschen zu der
gewölbten Stirn und dem hohen Scheitel des Europäers einen
scharfen Kontrast. Ein blutiges Drama spielte sich jetzt vor uns
ab. Zwei Affenmenschen hatten einen der Indianer gepackt und
schleppten ihn an den Rand der Klippen. Der Anführer hob die
Hand. Sie packten den Mann an Armen und Beinen und
schwenkten ihn dreimal mit unheimlicher Kraft vor und
zurück. Dann warfen sie den armen Teufel mit einem so
gewaltigen Schwung über den Abgrund, daß er in hohem Bogen
durch die Luft flog, ehe er abzustürzen begann. Als er
verschwand, stürzte die ganze Meute mit Ausnahme der
Wachen nach vorn. Es folgte eine lange Pause, bis das
erwartungsvolle Schweigen schließlich von einem irren
Freudengebrüll zerrissen wurde. Die Affen sprangen umher
und schwenkten ihre langen behaarten Arme. Dann traten sie
schließlich wieder zurück, stellten sich in ihrer alten Ordnung
auf und warteten auf das nächste Opfer.
Das war Summerlee. Zwei seiner Bewacher packten ihn an
den Handgelenken und zerrten ihn brutal nach vorn. Er
zappelte und flatterte wie ein Huhn, das aus dem Käfig gerissen
wird. Challenger hatte sich dem Anführer zugewandt und
fuchtelte erregt mit den Händen. Er bat und flehte um das
Leben seines Kameraden. Der Affenmensch stieß ihn roh
beiseite und schüttelte den Kopf.
In dem Moment krachte Lord Johns Flinte, und der
Anführer sank zu Boden.
»Schießen Sie mitten rein! Los, schießen Sie!« schrie Lord
John.
Auch im Herzen des alltäglichsten Menschen gibt es
unergründlich düstere Tiefen. Ich habe schon beim Schrei
eines verwundeten Hasen feuchte Augen bekommen, jetzt
aber packte mich die Blutgier. Ich sprang auf, schoß das eine
Magazin leer, dann das andere, riß die Kammer auf, lud durch,
schoß wieder und schrie und lachte aus purer Zerstörungswut.
Wir richteten mit unseren vier Gewehren ein schreckliches
Blutbad an. Die beiden Wachtposten, die Summerlee
festgehalten hatten, lagen zusammengekrümmt am Boden. In
seiner Verwunderung wankte der Professor umher wie ein
Betrunkener und konnte es nicht fassen, daß er frei war. Die
Horde der Affenmenschen rannte kopflos durcheinander und
versuchte zu begreifen, wo dieser entsetzliche Todessturm
herkam und was er bedeuten sollte. Sie winkten, gestikulierten,
schrien und stolperten über die Gefallenen. Dann rasten sie
plötzlich mit Geheul zu den Bäumen, um Deckung zu suchen.
Die Gefangenen ließen sie allein in der Mitte der Wiese
stehen.
Challenger hatte die Situation sofort erfaßt. Er packte den
verwirrten Summerlee am Arm und zog ihn mit sich in unsere
Richtung. Zwei Affenmenschen sprangen ihnen nach und
brachen unter zwei Schüssen von Lord John zusammen. Wir
stürzten unseren Freunden entgegen und drückten jedem ein
geladenes Gewehr in die Hand, aber Summerlee war am Ende
seiner Kräfte. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen
halten.
Die Affenmenschen hatten sich inzwischen von ihrer ersten
Panik erholt. Sie drangen im Gebüsch vor und drohten uns den
Rückweg abzuschneiden. Challenger und ich schleiften
Summerlee mit, jeder an einem Ellbogen. Lord John deckte
unseren Rückzug, immer wieder feuernd, sobald eine wilde
Fratze aus dem Gebüsch auftauchte. Während mindestens einer
Meile blieben uns die schnatternden Bestien auf den Fersen.
Dann ließ die Verfolgung nach. Sie wollten sich offensichtlich
nicht länger dem vernichtenden Gewehrfeuer aussetzen.
Als wir endlich das Lager erreichten, sahen wir zurück und
stellten fest, daß wir allein waren.
Den Eindruck hatten wir zumindest, aber wir hatten uns
getäuscht. Kaum hatten wir die Dornen unserer Hecke
verschlossen, uns gegenseitig die
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