Die Vergessene Welt
Hände geschüttelt und uns
keuchend neben der Quelle zu Boden sinken lassen, als wir ein
Getrappel nackter Füße hörten und dann leise, klagende Rufe
vor unserem Eingang vernahmen. Lord John sprang mit der
Flinte in der Hand vor und öffnete. Hingestreckt, das Gesicht
auf dem Boden, lagen dort die vier überlebende Indianer, die
aus Furcht vor uns zitterten und uns dennoch um Schutz
anflehten. Mit einer ausdrucksvollen Gebärde deutete einer von
ihnen auf den Wald ringsum, um uns zu verstehen zu geben,
daß er voller Gefahren steckte. Dann stürzte er vor, schlang
seinen Arm um Lord Johns Füße und legte sein Gesicht darauf.
»Sapperlott!« rief unser Edelmann und zupfte sich ratlos am
Schnurrbart. »Was, zum Teufel, sollen wir jetzt mit diesen
Leuten anfangen? Steh auf, kleines Kerlchen, und nimm dein
Gesicht von meinen Stiefeln!«
Summerlee setzte sich und stopfte mit zitternden Händen
seine alte Pfeife.
»Wir müssen die Indianer in Sicherheit bringen«, sagte er.
»Sie und der junge Mr. Malone haben uns dem Tode entrissen.
Auf mein Wort! Das war ein sauberes Stück Arbeit!«
»Bewundernswert!« rief Challenger. »Bewundernswert!
Nicht nur wir schulden Ihnen Dank für das, was Sie getan
haben, sondern auch die Wissenschaft schlechthin. Das
Verschwinden von Professor Summerlee und mir hätte eine
schmerzliche Lücke in der modernen zoologischen Forschung
hinterlassen. Unser junger Freund und Sie haben eine
kolossale Leistung vollbracht.«
Er strahlte uns mit seinem väterlichen Lächeln an. Aber die
Wissenschaft schlechthin wäre erstaunt gewesen, hätte sie
ihren auserwählten Sohn mit seinen verfilzten, ungekämmten
Haaren, seiner bloßen Brust und seiner zerfetzten Kleidung
sehen können. Er saß da, eine Fleischdose zwischen die Knie
geklemmt, und hielt ein großes Stück australisches
Hammelfleisch in der Hand. Der Indianer blickte zu ihm
hinüber, warf sich dann mit leisem Winseln zu Boden und
klammerte sich an Lord Johns Bein.
»Aber du brauchst doch keine Angst zu haben, mein
Junge«, sagte Lord John und tätschelte den Kopf zu seinen
Füßen. »Er kann Ihren Anblick nicht ertragen, Challenger! Und
das wundert mich nicht. Schon gut, kleiner Bursche, er tut dir
nichts, er ist auch nur ein Mensch wie wir.«
»Ich muß doch sehr bitten!« rief der Professor.
»Seien Sie doch froh, daß Sie nicht aussehen wie jedermann,
Professor Challenger«, sagte Lord John und grinste. »Dieser
Affenkönig hätte Sie sonst nie …«
»Sie gehen zu weit, Lord John«, fiel ihm Challenger ins
Wort. »Ich verbitte mir derlei Bemerkungen.«
»Sie entsprechen aber den Tatsachen.«
»Ich darf Sie trotzdem bitten, das Thema zu wechseln. Ihre
Feststellungen sind irrelevant und interessieren niemanden
auch nur im geringsten. Wir stehen hier vor der Frage, was wir
mit den Indianern anfangen. Am besten wäre es, sie nach
Hause zu bringen, aber dazu müßten wir wissen, wo sie zu
Hause sind.«
»Mr. Melone weiß es. Wenn ich ihn richtig verstanden habe,
dann ist es ganz schön weit bis zu ihren Höhlen.«
»An die zwanzig Meilen«, sagte ich. Professor Summerlee
stöhnte. »Ich schaffe das nie, das kann ich Ihnen gleich sagen.
Außerdem höre ich diese Bestien schon wieder heulen.«
Jetzt hörten wir sie auch. Aus der Tiefe des Waldes drangen
die unartikulierten Schreie der Affenmenschen. Die Indianer
brachen erneut in Angstgewimmer aus.
»Nichts wie weg von hier«, rief Lord John. »Sie helfen
Professor Summerlee, Mr. Malone. Wir halten die Gewehre
schußbereit. Die Indianer müssen unseren Proviant tragen. Los,
kommen Sie, bevor sie uns entdecken!«
Nach einer knappen halben Stunde hatten wir den
markierten Zufluchtsort im Unterholz erreicht und uns dort
versteckt. Den ganzen Tag über hörten wir die
Affenmenschen Richtung Fort Challenger trampeln, aber in
unsere Richtung kamen sie nicht. Professor Challenger, Lord
John und ich lösten uns in unseren Wachen ab, die anderen
schliefen einen tiefen, erschöpften Schlaf.
Gegen Abend, ich war gerade etwas eingedöst, zupfte mich
jemand am Ärmel. Ich schlug die Augen auf und sah
Professor Challenger neben mir knien.
»Sie zeichnen diese Ereignisse doch auf, junger Mann«,
sagte er mit feierlichem Gesicht.
»Richtig«, antwortete ich.
»Und Sie wollen Ihre Aufzeichnungen doch eines Tages
veröffentlichen, oder?«
»Ja.«
»Gut. Lord John hat da so einige Bemerkungen fallen lassen,
die darauf hinweisen
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