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Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Titel: Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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was er alles besorgen musste. Die Liste wurde erschreckend lang.
     
    Der Friedhof, auf dem die Beerdigung stattfinden sollte, lag außerhalb. Wünnenberg stellte sein Auto am Straßenrand hinter einer Reihe anderer Fahrzeuge ab. Zwar war der versteckt gelegene Waldfriedhof nicht übermäßig groß, dafür aber offensichtlich schon sehr alt. Die Gräber lagen eng beieinander, die Fußwege zwischen den Grabplatten waren über die Jahrhunderte hinweg ziemlich schmal geworden. Für Hackenholt strahlte die Anlage eine gewisse Idylle aus – obwohl, oder vielleicht gerade, weil sie nicht so akkurat war wie die modernen Begräbnisstätten.
    Hackenholt ließ seinen Blick über die anwesenden Personen schweifen, die in einzelnen Grüppchen dicht gedrängt zusammenstanden. Vor der ausgehobenen Grabstelle erkannte er Sieberts Eltern, daneben ihr Sohn Konrad. Sieberts Schwester und Schwager waren nicht anwesend, genauso wenig wie seine Nachbarn aus der Meuschelstraße.
    Fast alle Trauergäste waren ältere Herrschaften, die wenigen Besucher unter fünfzig konnte man an einer Hand abzählen, und die zwei jüngeren Frauen unter den Anwesenden sahen Frau Damps oder Frau Brunner nicht im Entferntesten ähnlich. Keine konnte Frau Jarosch sein. Vielleicht waren es ehemalige Arbeitskolleginnen von Siebert oder, noch naheliegender, junge Leute aus dem Dorf.
    »Die meisten Leute scheinen wegen Sieberts Eltern hier zu sein«, murmelte Wünnenberg.
    Hackenholt nickte. »Was mich aber viel mehr erstaunt, ist, dass sich kein einziger seiner Stammtischkollegen hierher bemüht hat. Von denen hätte ich definitiv mehr Loyalität erwartet.«
     
    Die Trauerfeier unter freiem Himmel begann, als der Sarg von den Friedhofsbediensteten geschickt zwischen den Grabplatten zu der ausgehobenen Grube getragen wurde. Er war mit einem kleinen Bouquet gelber Rosen verziert. Die Viertelstunde, die der Pfarrer predigte, verging rasch. Dennoch begannen einige der Anwesenden unruhig von einem Bein auf das andere zu treten. Für die ältere Generation war es sicherlich anstrengend, stehen zu müssen.
    Als der Sarg endlich in die Grube hinabgelassen wurde, sah Hackenholt das tränenüberströmte Gesicht von Sieberts Mutter. Zumindest eine, die ehrlich um ihn trauert, dachte er. Ihr Mann und ihr Sohn mussten sie stützen, als sie ans Grab trat, um ihren kleinen Blumenstrauß auf den Sarg zu werfen. Vater und Bruder taten es ihr mit einer Schaufel Erde gleich, bevor sich alle drei abwandten und die Mutter zur Seite führten. Nacheinander traten die anderen Trauergäste ans Grab und warfen eine Handvoll Erde hinab, manche wandten sich auch gleich da. Hackenholt beobachtete, wie sie, einer nach dem anderen, durch die Grabreihen schritten, sichtbar erleichtert, ihre Pflicht erfüllt zu haben.
    Plötzlich stupste Wünnenberg ihn an und raunte leise: »Schau!«
    Hackenholts Blick schweifte einen Moment ziellos über die Gräber, bis er die ungewöhnliche Gruppe entdeckte, die soeben den Friedhof betreten hatte. Insgesamt zählte er dreizehn Männer, alle waren in Frack und Zylinder gekleidet. Einer von ihnen trug einen Weidenkorb in der Hand. Es war Jürgen Degel. Nachdem jeder von ihnen ein Schnapsglas aus dem Korb genommen hatte, verteilten sie sich um Sieberts Grab, so nah und gut es eben ging. Eine Flasche machte die Runde. Jürgen Degel trat an die Stirnseite der Grube, wo zuvor der Pfarrer gestanden hatte. Die Männer nahmen ihre altertümliche Kopfbedeckung ab und hoben, wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, alle ihr Glas. Degel sagte ein paar lateinisch klingende Worte, und prostete dem Sarg laut zu. Die anderen taten es ihm gleich und tranken den Klaren auf ex. Dann packten die Männer ihre Gläser wieder in Degels Korb und verließen genauso schnell und schweigsam den Friedhof, wie sie gekommen waren.
    »Ich fass es nicht«, murmelte Wünnenberg völlig benommen. »Was war denn das?« Er sah Hackenholt entgeistert an. Aber auch ihm war etwas Vergleichbares noch nie untergekommen.
     
    Den größten Teil der Fahrt zurück zu Hackenholts Wohnung verbrachten die beiden Ermittler schweigend. Beide hingen ihren Gedanken nach. Zwar war niemand Unerwartetes zur Beerdigung gekommen, aber der skurrile Auftritt der Stammtischbrüder gab beiden zu denken.
    Wünnenberg schüttelte immer wieder den Kopf, während er ein Schnauben von sich gab. Aber erst als sie schon in Hackenholts Straße einbogen, sagte er endlich: »Der Degel verarscht uns doch. Würdest du ein solches

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