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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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Lele?«
    »Aber ja, Papa. Marianne kommt doch heute zurück.«
    »Ach ja.« Unvermittelt strich er ihr über das Haar. Eine ungewohnte Berührung, denn er war sonst kein Mann von Zärtlichkeit. »Du hast deine Schwester sicher vermisst, Kleines, nicht wahr?«
    Helene nickte, sagte aber nichts, weil sie befürchtete, sich nicht auf ihre Stimme verlassen zu können. Hatte sie die Schwester vermisst? Vielleicht, ganz sicher aber hatte Gianluca für die Zeit, als Marianne abwesend war, nur ihr gehört, und sie bedauerte durchaus, dass es damit vorbei war.
    Als müsse sie die Tochter doch noch aufhalten, trug die Mutter ihr an diesem Morgen auf, beim Ausschenken der Morgensuppe für die Knechte und Mägde zu helfen. Man sprach darüber, dass Frankfurt an die Koalitionstruppen gefallen war.
    »Du wirst deiner Schwester noch weit genug entgegenlaufen können«, beschied Emmeline auf Helenes Murren hin knapp.
    Natürlich hatte die Mutter recht, natürlich war es viel zu früh, um sich irgendwo an den Wegrand zu stellen und auf Marianne und Gianluca zu warten. Trotzdem hielt Helene es vor Ungeduld kaum aus. Unruhig trieb sie sich nach der Morgensuppe in der Küche herum. Bald schickte die Mutter sie aus, die Eier zu suchen, für die die Hühner immer neue Verstecke fanden. Es hatten sich schon welche auf dem Dach des Ziegenstalls gefunden und sogar in den Futterkrippen, ein denkbar schlechter Ort. Als diese Arbeit getan war, sah Helene eine Weile zu, wie der Vater Wein verkostete. Dann machte sie sich endlich auf den Weg.
    Marianne sah auf Gianlucas Hände, die die Zügel hielten. Mann und Frau, dachte sie, eigentlich sind wir doch Mann und Frau.
    Und doch hatten sie über so viel Belangloses geredet auf der Fahrt, so als lernten sie sich erst kennen, so als ob es gefährlich war, über das zu sprechen, was sie wirklich betraf.
    Er hatte sie über die Tage in Mainz befragt, sie hatte sich von dem erzählen lassen, was zu Hause vorgefallen war. Unvermittelt zügelte Gianluca das Pferd nun, und der Karren rollte langsamer dahin. Sie erreichten eben den Stein’schen Wingert, und nachdem sie einen kurzen Blick gewechselt hatten, lenkte er das Gefährt unter dem frei stehenden Torbogen hindurch.
    Für einen Moment musste Marianne an Christoph denken, der noch ein Stück mit ihnen gelaufen war und ihnen dann hinterhergewinkt hatte. Sie musste auch an Tante Juliane denken, die ihr beide Wangen geküsst hatte, und an Onkel Hubertus, der brummelte wie ein schlecht gelaunter Bär, aber sich doch betrübt über ihre Abreise zeigte. In den Tagen ihrer Anwesenheit, hatte sie bemerkt, war er älter geworden, war oft kurzatmig und wirkte manchmal angestrengt. Sogar Joseph Chevillon hatte sich von ihnen verabschiedet. Sie hatte den jungen französischen Hauptmann schätzen gelernt.
    Der Wagen kam jetzt vollständig zum Stehen.
    Ich sollte ihm sagen, dass wir weiterfahren müssen, dachte Marianne, aber sie sagte nichts. Die Sehnsucht nach ihm ließ sich nicht mehr bezwingen. Hatte Gianluca das in ihren Augen gelesen, was sie in den seinen zu lesen meinte?
    Sie hörte, wie er vom Wagen absprang. Einen Atemzug später spürte sie seine Hand an ihrer.
    »Ich habe dich vermisst, amore . Ich habe dich so sehr vermisst. Du hast mein Herz mitgenommen, als du gegangen bist.«
    Marianne wehrte sich nicht, als er sie im nächsten Moment in seine Arme zog. Es tat gut, ihn zu spüren. Ihr Körper wurde weich, verhielt sich, als wisse er Antworten, von denen ihr Kopf noch nichts ahnte. Es war falsch gewesen, fortzulaufen. Man konnte nicht vor dem fortlaufen, was man liebte. Das war unmöglich. Sie waren Eltern. Sie erwarteten ein Kind, und Gianlucas Glückseligkeit darüber hatte sie selbst wieder gelassener werden lassen. Womöglich würde es doch ganz einfach sein. Dieses Kind, dachte sie, ist die Frucht unserer Liebe. Es ist unsere Zukunft.
    Marianne ließ sich vom Karren herunterhelfen. Gleich darauf fanden sie Deckung im Schutz des kleinen Weinberghäuschens, dem Spielort ihrer Kindheit. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Gianluca küsste sie, zart und behutsam, auf die Wangen, die Stirn, die Lippen. Einen Moment später lagen sie schon auf dem Boden. Die Kälte störte sie nicht. Sie beide verfügten über genügend Wärme. Ihre Körper tanzten miteinander, eingängiger, besser, als sie es die ersten Male noch getan hatten.
    Die Liebe, dachte Marianne, macht alles neu. Als Gianluca in sie eindrang, musste sie sich beherrschen,

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