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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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kam mit wütendem Gesicht unter den Zweigen des Baumes hervor.
    Tania wandte sich um, rannte zum Flussufer, balancierte am Rand des schäumenden Flusses entlang und hob dabei die Knie wie die Reitpferde im Richmond Park.
    »Gracie! Ich sag’s dir nicht noch mal!«
    »Gut!«
    Ihr Fuß traf einen losen Stein, der unter ihr wegbrach, sodass sie umknickte. Sie spürte einen brennenden Schmerz im Knöchel und schrie auf.
    Sie stolperte und schlug wild mit den Armen um sich. Der Himmel drehte sich. Der Regen kam schräg von der Seite. Sie kniff die Augen fest zusammen, als der Fluss auf sie zukam und sie in seine dunkle, eisige Umarmung zog.
    »Gracie!«
    »Tania?«
    Tania öffnete keuchend die Augen. Sie war zurück auf dem Weg, Edric hatte den Arm um sie gelegt. Sie fühlte sich noch wackelig auf den Beinen, ihr ganzer Körper schien wegzudriften, als würde er zerfließen. Wenn Edric sie nicht festgehalten hätte, wäre sie in sich zusammengesackt.
    Stoßweise atmend, klammerte sie sich an ihn, die Stirn an seiner Schulter.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Ertrunke n …«, stieß Tania keuchend hervor. »Das arme Kin d …«
    »Jetzt ist alles gut«, beruhigte er sie. »Ich hab dich.«
    »Es ist wieder passiert«, sagte sie. »Wie damals im Theater. Aber diesmal war es ein anderes Mädchen.« Sie schaute sich um. »Es war an dieser Stelle und die Umgebung sah fast genauso aus. Es kann nicht so viele Jahre her sein, aber wann? Ach, warte ma l … Königin Victoria war gerade gestorben. Das heißt, ich muss ins beginnende zwanzigste Jahrhundert versetzt worden sein.« Sie deutete auf die Themse. »Das Mädchen war hie r – und spielte am Fluss. Es führte sich ungezogen auf. Und dann ist es ins Wasser gefallen.« Sie kniff die Augen zusammen. »Wird mir das jetzt immer wieder geschehen? Werde ich Bruchstücke aus all meinen vergangenen Leben noch einmal durchleben? Und auch die Augenblicke, in denen ich starb?« Sie schauderte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Edric. »Ich verstehe nicht, warum das geschieht. Vielleicht ist Eden in der Lage, es zu erklären, oder vielleicht kann der König diesen Zeitsprüngen ein Ende bereiten.«
    »Aber ich kann doch nicht zu ihnen!«, sagte sie. »Ich kann nicht ins Elfenreich. Meine Gabe scheint nicht mehr zu wirken.«
    »Vielleicht ist diese Stelle hier einfach nur ungünstig«, meinte Edric mit einem beruhigenden Lächeln. »Möglicherweise ist das so wie ein Funkloch beim Handy. Du hast hier einfach keinen guten Empfang, das ist alles.«
    Sie sah ihn an, als wolle sie ihm nur allzu gerne glauben. »Meinst du wirklich?«
    Er nickte. »Wir sollten es woanders versuchen. Hör mal, lass uns zurück zum U-Bahnhof gehen. Wir können die S-Bahn nach Hampton Court nehmen. Von dort aus sollte es dir eigentlich möglich sein, ins Elfenreich zu gelangen.«
    »Ja, wahrscheinlich hast du Recht«, meinte sie. »Los.« Sie blickte unbehaglich zu der Stelle, wo Gracie in den Fluss gefallen war. »Ich möchte hier so schnell wie möglich weg.«
    Allmählich wurde der Tag freundlicher, und im Westen zeigte sich blauer Himmel unter dem ausgefransten Saum aus langsam vorbeiziehenden Wolken. Tania und Edric standen nebeneinander auf einer Wiese, die zum Fluss hin abfiel. Hinter ihnen ragten die hohen Tudor-Türme aus rotem Backstein und die Mauern des Hampton Court Palace auf. Die weißen Steinfenster, die üppigen Ornamente und die Zinnen, die an Zahnlücken erinnerten, leuchteten ihnen entgegen.
    Sie waren fast eine Dreiviertelstunde unterwegs gewesen und hatten zweimal umsteigen müssen, um hierher zu gelange n – alles umsonst. Das Elfenreich blieb ihnen verschlossen. Tania hatte es sechsmal probier t – dreimal mit Edric, dreimal ohne ihn. Das einzige Resultat war ein übler Geschmack im Mund und ein heftiges Brennen am ganzen Körper, so als hätte sie einen Hautausschlag.
    Nun starrte sie verdrossen in den Fluss. Sie wusste, dass Edric sie angespannt betrachtete.
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sie ebenso wenig.
    Schließlich ergriff sie das Wort, wobei ihre Stimme kaum das Rauschen des dahinströmenden Wassers übertönte. »Warum kann ich nicht ins Elfenreich? Es ist doch meine ganz besondere Begabung, zwischen den Welten hin- und herzuwandeln. Was läuft also schief?« Plötzlich kam ihr ein Gedanke und sie erschrak. »Eden und Sancha haben mir gesagt, dass ich mich eines Tages entscheiden muss, wo ich leben möcht e – hier oder im Elfenreich. Und wenn ich mich dafür

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