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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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ausreichend geschlafen. Auf dem Weg zu Kuppel 7 gehe ich alle Szenarien durch, die mir einfallen. Dass sie jemanden zum Analysieren und Etikettieren einer Sonderlieferung von Blutkonserven brauchen – es wäre nicht das erste Mal. Doch dafür werden üblicherweise Studenten mit medizinischem Schwerpunkt und geringerer Reihung rekrutiert.
    Dass jemand krank geworden ist und mich sehen will.
    Ich wünschte, ich würde unter den Menschen, die mir entgegenkommen, Aureljo entdecken. Ich möchte ihm sagen, wohin ich gehe, damit er nach mir fragen kann, falls ich nicht wiederkomme. Vielleicht würde er mich sogar begleiten.
    Die einzige Möglichkeit, die ich habe, um ihn zu informieren, ist, ihm eine Nachricht auf sein Datenterminal zu schicken: Muss ins Medcenter, versuche pünktlich zum Abendessen in der Mensa zu sein.
    Mehr wage ich nicht. Habe Angst, traue keinem, verkneife ich mir.
    Vielleicht injizieren sie mir eine Wahrheitsdroge. Etwas Derartiges gibt es, ich erinnere mich an den Vortrag einer Ärztin.
    Das wäre großartig.
    Der Gedanke trägt mich die restliche Strecke zum Medcenter. Sie sollen mich unter Einfluss dieser Droge befragen, dann ist meine Unschuld erwiesen. Ich bin keine Verschwörerin, sondern unterstütze den Bund auf jede denkbare Art. Ich kann mich entlasten, Aureljo, die anderen. Es wäre die perfekte Lösung.
     
    Doch in dem Untersuchungszimmer warten drei Chirurgen auf mich, zwei Frauen und ein Mann. Sie freuen sich ganz offensichtlich, mich zu sehen, setzen mich auf einen Stuhl und betrachten mich von allen Seiten.
    »Eine leichte Betonung der Wangenknochen.«
    »Das Kinn stärker herausarbeiten, aber nur einen Hauch.«
    »Das Haar auf jeden Fall so lassen, dieses rötliche Braun ist ideal. Kürzer muss es werden, natürlich, aber sonst …«
    »Die Nase ist gut. Wenn wir sie zwei Millimeter schmäler machen, ist sie perfekt.«
    Eine der Chirurginnen, eine dunkeläugige, blasshäutige Schönheit, ist vor mir in die Hocke gegangen und zieht probeweise eine meiner Augenbrauen in Richtung Schläfe. »Du wirst hinreißend aussehen. Schon die Ausgangsbasis ist sehr gut, aber wenn du in einigen Jahren Sprecherin des Präsidenten werden solltest, musst du makellos sein.«
    Das ist es also. Sie wollen mich operieren, das ist ein gutes Zeichen. Wozu sollten sie sich die Mühe machen, wenn ich kurz darauf abgeschlachtet werden würde?
    Außer, die Operation ist ein Vorwand genau dafür: Auf dem OP-Tisch gestorben, während der Narkose, ein Herzstillstand. Damit hat niemand gerechnet, wir bedauern es sehr …
    Ich tue alles, um mir meine Zerrissenheit nicht anmerken zu lassen, bringe ein paar fröhlich klingende Worte heraus und stelle die Frage, die mich bewegt, wie nebenbei. »Ich wusste gar nicht, dass es schon so bald so weit ist. Von wem kommt denn die plötzliche Anweisung?«
    Der Chirurg sieht von seinem Terminal auf. Er muss selbst operiert sein; ein so ebenmäßiges Gesicht ist selten Zufall.
    »Vom Rektor persönlich. Er findet, du hast dich außergewöhnlich entwickelt, und deshalb wirst du wohl früher in die Öffentlichkeit treten als die meisten anderen.«
    Von Gorgias also. Die Information muss ich sickern lassen. Während ich mich strahlend dafür bedanke, klebt mein Blick auf den manipulierten Fotografien, die den Tisch bedecken. Zehn-, zwanzigmal mein Gesicht, auf jedem Bild einen Hauch anders.
    Gorgias lässt mich operieren. Kann sein, dass er mich als mögliche künftige Sprecherin des Präsidenten sieht, nachdem ich mich bewährt habe.
    Oder als bleichen, leblosen Körper unter einer grünen Operationsabdeckung.
    Jedes Wort, das die Ärzte äußern, kann zwei Bedeutungen haben. Dass alles in Ordnung ist, dass ich eine Zukunft habe. Oder dass die Akademie einen unauffälligen Weg gefunden hat, um mich zu beseitigen.
    »Gibt es schon ein genaues Datum für die Operation?«, frage ich die dunkelhaarige Ärztin.
    Sie drückt auf ihrem Terminal herum. »Wir haben einen Termin in sieben Wochen fixiert. Bis dahin ist ausreichend Gelegenheit für uns, jeden Schnitt genau zu überlegen.« Sie sieht mich an, ihre perfekten Lippen lächeln über perfekten Zähnen. »Nicht nervös sein. Du hast noch Zeit, dich darauf einzustellen.«

10
    Du hast noch Zeit. Die Worte kreisen in meinem Kopf, bestimmen den Rhythmus meiner Schritte, als ich den Weg zur Mensa einschlage. Noch Zeit. Zeit.
    Aureljo, wie meistens umgeben von einer Schar Zuhörer, springt auf, als er mich kommen sieht. »Ist alles in

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